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William T. Vollmann:
Afghanistan Picture Show oder Wie ich lernte, die Welt zu retten
Aus dem Amerikanischen von Peter Torberg. € 22,-/384 Seiten, marebuchverlag, Hamburg 2003

Foto: Archiv
Die Welt zu bessern, den Armen zu helfen - das kommt den meisten irgendwann in den Sinn. Die wenigsten raffen sich jedoch je zu mehr auf, als hin und wieder Geld zu spenden. Der US-Schriftsteller William T. Vollmann hatte Anfang der 80er-Jahre Größeres vor. Damals gerade mal 22 Jahre alt, reiste er nach Afghanistan, mit der Absicht, Gutes zu tun - dem afghanischen Volk in seiner Not zu helfen. Mit welchen Mitteln oder Taten, das wusste er freilich noch nicht. Er war zuversichtlich, dass sich Gelegenheiten finden würden. Darüber hinaus ging es ihm darum, überhaupt zu verstehen, was mit dem Land nach der sowjetischen Okkupation geschehen war. "Ist es möglich, dass sich die Invasion auf lange Sicht positiv auswirkt?" - Derlei naive Fragen notierte er in sein Tagebuch.

Afghanistan Picture Show oder Wie ich lernte, die Welt zu retten ist, so viel vorweg, das Protokoll eines Scheiterns, in seinem Scheitern jedoch um einiges aufschlussreicher, als es ein auf allgemein gültige Einsichten angelegter Erfahrungsbericht sein könnte. Denn anders als selbst ernannte Chefankläger wie Michael Moore geht Vollmann Widersprüchlichkeiten nicht aus dem Weg: "Können wir ein Wandbild der Güte und Wahrheit malen, bevor wir die richtige Wand dafür gefunden haben?", fragt er im Vorwort des Buches, das auf die Ereignisse des 11. September Bezug nimmt, ursprünglich aber bereits 1992 erschienenen ist.

Was Vollmann in Afghanistan widerfährt, ist so zuallererst die Überwältigung durch das Fremde. Sie äußert sich körperlich in einem nicht enden wollenden Durchfall, einem Durst, den er mit Unmengen an Sprite-Dosen zu löschen versucht. Solche subjektiven Befindlichkeiten sind bei Vollmann nicht komisch intendiert: Der US-Autor ist vielmehr berühmt dafür, in den Recherchen für seine Bücher an die eigenen Grenzen zu gehen. Sein Interesse gilt den gesellschaftlichen Verlieren - ob Prostituierten oder Crack-Süchtigen - in deren Milieus er, ein Method-Writer gewissermaßen, eindringt: Die Selbsterfahrung ist bei ihm die Grundbedingung jedes Schreibens.

Anders als seine restlichen Werke - etwa eine Romanserie zur Kolonisierung des nordamerikanischen Kontinents - ist Afghanistan Picture Show, übrigens Vollmanns erste Übersetzung ins Deutsche, ein rein dokumentarisches Buch. Er blickt darin auf sich selbst als jungen Mann zurück, belächelt dessen Altruismus, die Ernsthaftigkeit, mit der er sich seiner Sache widmet und dabei zunehmend die Übersicht verliert. Die Situation, der sich der junge Autor aussetzt, ist schlichtweg zu groß. Der empirische Eifer, mittels Interviews die Lage der afghanischen Flüchtlinge in Pakistan, den Zustand der Lager, die Rolle der Frauen, die verwirrende Komplexität verfeindeter Mudjahedin-Gruppen usw. zu durchschauen, weicht insofern immer mehr dem Eindruck, im Grunde zu gar nichts nutze zu sein.

Dass Vollmanns Ehrgeiz nach dem großen Bild eine Fülle an kleineren Einsichten abwirft, ist die eine Stärke dieses Berichts. Dass seine Haltung und Selbstanalyse niemals kokett wirken, sondern sich vielmehr als epistemologisches Dilemma des westlichen Beobachters lesen lässt, die andere. Afghanistan bleibt das Land der Tagesdecke, ein faltiger Deckenwurf, in dem der Autor als Kind steckte, wenn er krank war und sich fürchtete: Wenn er erst am Ende des Buches, gemeinsam mit ein paar Mudjahedin, überhaupt die Grenze dorthin passiert - dann muss er doch in jeder Hinsicht hinter diesen zurückbleiben. (ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 3./4.1.2004)