Der prominente französische Politologe, Historiker und Publizist Alfred Grosser sieht im Scheitern der Integration der meisten maghrebinischen Einwanderer einen Grund für einen nicht rechtsextremistisch begründeten Antisemitismus in Frankreich. Die muslimischen Immigranten fühlten sich nicht als vollwertige Franzosen: "Wer wird denn benachteiligt in der französischen Gesellschaft, wenn nicht die jungen Muslime in den Vorstädten?", fragt Grosser. Doch dieser alltägliche Rassismus errege im Gegensatz zu den Übergriffen auf Juden kein Aufsehen. Französische Araber seien von Beleidigungen und rassistischen Handlungen mehr betroffen als französische Juden.Am "neuen Antisemitismus" tragen nach Ansicht Grossers die jüdischen Organisationen in Frankreich und Deutschland Mitschuld. Der CRIF (Conseil représentatif des institutions juives en France) und der Zentralrat der Juden in Deutschland solidarisierten sich mit der israelischen Regierung und der "verbrecherischen Politik" von Premier Ariel Sharon, erklärte Grosser, dessen jüdische Familie 1933 aus Deutschland flüchtete. "Sie machen jeden jüdischen Schüler zum Vertreter Israels. Man beschimpft sie als Juden, weil man Sharon beschimpft." (AP, red; DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2.1.2004)