Naturkatastrophen, deren Verheerungen das menschliche Fassungsvermögen überschreiten, haben oft auch unerwartete politische Auswirkungen. Als im August 1999 die Erde in der Türkei bebte und fast 16.000 Menschen starben, überraschten die Griechen ihren alten Erzfeind Türkei mit einer Welle der Hilfsbereitschaft, die bis heute nachwirkt. Die Griechen vergaßen angesichts des türkischen Leids ihre historischen Streitereien mit dem Nachbarn und zeigten, was Humanitas bedeutet. Ein Tauwetter zwischen beiden Staaten folgte, das immer noch anhält.

USA lockern Sanktionen gegen Teheran

Auch zwischen den USA und dem Iran ist nach der Katastrophe von Bam eine ähnliche Entwicklung denkbar. Die USA lockern Sanktionen gegen Teheran, das für Washington ja auf der "Achse des Bösen" zwischen dem Irak und Nordkorea liegt - die Mullahs wiederum akzeptierten Hilfe vom "großen Satan", dessen Bekämpfung iranische Staatsdoktrin ist. Zwar wird diese Annäherung von beiden Seiten offiziell heruntergespielt, doch hinter den Kulissen tut sich mehr, als das Publikum sieht.

Teheran unterstützte die Nordallianz

Teheran unterstützte die mit den Amerikanern verbündete Nordallianz im Afghanistankrieg, der iranische Einfluss beim Wiederaufbau Afghanistans wird von Washington positiv bewertet. Während des Irakkrieges durften die Amerikaner mehrmals den iranischen Luftraum und iranische Hoheitsgewässer benutzen. Auch im Nachkriegs-Irak - die Bevölkerungsmehrheit des Landes sind Schiiten - verhält sich der schiitische Iran konstruktiv. Teheran lässt nun auch Atominspektionen zu und sucht Kontakt zu gemäßigten arabischen Staaten wie Ägypten und Jordanien, was US-Außenminister Colin Powell wiederum vom möglichen Beginn eines Dialoges mit dem Mullah-Regime sprechen lässt.

Es gibt also Hoffnung. Furchtbar ist nur, dass es Naturkatastrophen braucht, um der Politik auf die Sprünge zu helfen. (DER STANDARD, Printausgabe 2.1.2004)