Belgrad - Die beiden bekanntesten Angeklagten des UNO-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag, der ehemalige jugoslawische Staatschef Slobodan Milosevic und der Ultranationalistenführer Vojislav Seselj, sicherten sich am letzten Sonntag auf den Kandidatenlisten ihrer Parteien, der Sozialisten und der Serbischen Radikalen Partei, Sitze im serbischen Parlament. Entsprechend dem Gesetz dürfen Milosevic und Seselj ihre Abgeordnetenmandate ausüben, bis sie vom Haager Tribunal rechtskräftig zu einer mehr als sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt sind.

Dass die beiden ehemalige staatlichen Spitzenfunktionäre - Seselj war in den Jahren 1998/99 jugoslawischer Vizeministerpräsident - tatsächlich Abgeordnetensitze bekommen, könnte womöglich die Lustrations(Sühne-)kommission verhindern. Das im letzten Sommer erlassene Gesetz sieht ein zehnjähriges Amtsverbot für jene ehemaligen Funktionäre vor, die sich Menschenrechtsverletzungen schuldig machten. Das Gesetz kam allerdings bis dato noch nie zur Anwendung. Angesichts des neuen Kräfteverhältnisses im Parlament wird dies wohl auch nie passieren. Gegner des Gesetzes sind nicht nur die Sozialisten und die Ultranationalisten, sondern auch die Demokratische Partei Serbiens von Vojislav Kostunica.

Ständiger Wohnsitz

Rein theoretisch könnte im Fall von Milosevic und Seselj auch die Frage ihres ständigen Wohnsitzes gestellt werden. Ihre aktuelle Wohnadresse im Tribunalsgefängnis wird ihnen kaum ermöglichen, an den Parlamentssitzungen aktiv teilzunehmen.

Im Lauf des Wahlkampfes wurde zudem die Tatsache außer Acht gelassen, dass gegen Milosevic in Belgrad auch Anklage wegen der drei Jahre zurückliegenden Ermordung des ehemaligen serbischen Präsidenten Ivan Stambolic erhoben wurde. Seitens der Republik-Wahlkommission wurde diese Tatsache mit keinem Wort kommentiert.

Der Belgrader Rechtsexperte Stevan Lilic warf am Dienstag den Juristen, die das Wahlgesetz in der Causa der Angeklagten auslegten, "unseriöses Verhalten" vor. "Diejenigen, die das Gesetz nur laut verlasen, ohne es zu deuten, ermöglichten, dass jeder Häftling aus Zabela (das bekannteste serbische Gefängnis bei Pozarevac, in dem Schwerverbrecher eingesperrt werden, Anm.) auf die Kandidatenliste kommt", präzisierte Lilic gegenüber der Tageszeitung "Glas javnosti".

Weder die Sozialisten noch die Ultranationalisten äußerten sich zu der Situation. Die beiden Parteien des Regimes von Milosevic werden im neuen Parlament mit 103 von 250 Sitzen vertreten sein. (APA)