Washington - Die USA haben Forderungen Libyens nach einer Aufhebung der Sanktionen gegen das nordafrikanische Land zurückgewiesen. Eine Neugestaltung der Beziehungen zu Libyen komme erst in Frage, wenn das nordafrikanische Land seine Programme für Massenvernichtungswaffen wie angekündigt einstelle, sagte ein Regierungssprecher am Freitag. Die Ankündigung als solche reiche nicht aus.

Ultimatum Libyens

Der libysche Ministerpräsident Shokri Ghanem hatte gefordert, Washington müsse die Sanktionen bis spätestens Mitte Mai aufheben. Dies sei eine angemessene Gegenleistung für die Zulassung internationaler Inspektionen in den libyschen Fabriken und Labors, sagte der Premier in einem Interview mit der "New York Times".

Keine Entschädigung für Lockerbie-Hinterbliebene

Shokri Ghanem stellte der US-Regierung ein Ultimatum bis zum 12. Mai, um alle im Jahr 1986 verhängten Sanktionen aufzuheben. Andernfalls werde Libyen die Hinterbliebenen des Lockerbie-Anschlags von 1988 nicht mit weiteren sechs Millionen Dollar für jedes Opfer entschädigen. Im August hatte der nordafrikanische Staat nach jahrelangen Verhandlungen die Verantwortung für den Anschlag auf die Pan-Am-Maschine über der schottischen Ortschaft Lockerbie übernommen, bei dem 270 Menschen getötet worden waren. Im August 2003 unterzeichneten Libyen und Vertreter der Hinterbliebenen ein Abkommen über 2,7 Milliarden Dollar (2,3 Milliarden Euro) Entschädigung. Im Gegenzug hob die UNO im September die von ihr gegen das nordafrikanische Land verhängten Sanktionen auf. Die US-Sanktionen blieben jedoch in Kraft.

10 Millionen pro Familie

Bisher hat Libyen an die Hinterbliebenen der 270 Lockerbie-Opfer je Familie vier Millionen Dollar bezahlt. Laut Ghanem sieht die Vereinbarung vor, dass die restlichen sechs Millionen Dollar nicht gezahlt werden, wenn die US-Sanktionen bis zu dem Stichtag nicht aufgehoben sind.

Nach monatelangen Geheimverhandlungen mit Washington und London hatte Libyen am 19. Dezember den Verzicht auf Massenvernichtungswaffen bekannt gegeben. Außerdem kündigte Tripolis die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag an, das uneingeschränkte und kurzfristig angemeldete Inspektionen von Atomanlagen erlaubt.

IAEO lobt Kooperation

Die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) hatten nach ihrem ersten Besuch in Libyen die Zusammenarbeit der libyschen Behörden gelobt. Man komme aber auf der Grundlage der bisher gesammelten Informationen noch nicht zu dem Schluss, dass Libyen sein Atomprogramm vollständig aufgegeben habe. Dafür bedürfe es noch intensiverer Nachforschungen.

ElBaradei und Powell reden

Diese würde auch die USA gerne übernehmen: Die US-Regierung hat angekündigt, im Jänner ein erstes Team von Inspektoren nach Libyen schicken zu wollen, um den Abbau des mutmaßlichen Atomprogramms zu überwachen. Atombehördenchef Mohamed ElBaradei lehnte dies ab: Die IAEO sei bei ihren Kontrollen nicht auf die Hilfe der USA angewiesen.

Telefonat mit Powell

Der amerikanische Außenminister Colin Powell hat mit IAEO-Generaldirektor Mohamed ElBaradei über eine Beilegung des Streits um die Kontrollen libyscher Atomanlagen gesprochen. Das sagten Diplomaten am Sitz der Internationalen Atomenergieorganisation in Wien am Freitag.

IAEO lehnt US-Kontrollore ab

Bei dem Streit zwischen den USA und der IAEO geht es um die Frage, wer die führende Rolle bei der Überwachung des Abbaus des mutmaßlichen libyschen Atomprogramms übernehmen soll. Powell sprach sich Gewährsleuten zufolge in dem Telefongespräch mit ElBaradei dafür aus, die öffentliche Diskussion darüber zu beenden. Es sei vereinbart worden, bei der Erörterung dieses Themas diplomatische Kanäle zu nutzen, sagte einer der Diplomaten, die namentlich nicht genannt werden wollten. Ein anderer sagte, die amerikanische Seite beharre jedoch weiter auf ihrer Position, dass ihr bei der Kontrolle eine Schlüsselrolle zukommen solle. (APA)