Emily Jacir: BELONGINGS, X-MAS

Foto: O.K.

Weihnachtsschmuck einmal anders...

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Die Fakten sprechen für sich: Einen über weite Strecken unsentimentalen Blick auf das so genannte Nahostproblem wirft die palästinensisch-amerikanische Künstlerin Emily Jacir im Linzer OK Centrum mit dem Projekt "belongings".


Linz - Kaum ein Tag vergeht, ohne dass über blutige "Zusammenstöße" zwischen Israelis und Palästinensern berichtet wird. Die so genannte Spirale der Gewalt dreht sich weiter und weiter, Tote reihen sich an Tote.

"Palästina ist zu einer weltweit verstandenen Metapher für Wirrnis, Unruhe und Gewalt geworden: Für PalästinenserInnen ist diese Kombination von mit Tatsachen, Erinnerungen und Sehnsüchten angereicherten Worten und damit assoziierten Bildern ein Ersatz für Staatsbürgerschaft oder Pass."

So kommentierte der heuer verstorbene palästinensische Intellektuelle Edward Said die Lage. Seine Autobiografie "Am falschen Ort" spricht Bände. Ihm widmet die junge palästinensisch-amerikanische Künstlerin Emily Jacir ihr Katalogbuch, das zur Ausstellung im Linzer OK Centrum für Gegenwartskunst erschien. Jacirs Arbeiten aus 1998 bis 2003, ausgewählt von Lentos-Neodirektorin Stella Rollig, bilden den Abschluss eines längeren OK-Nahostschwerpunktes.

418 palästinensische Dörfer waren bei der Gründung Israels 1948 "zerstört, entvölkert und besetzt" worden. Auf ein Flüchtlingszelt stickte Jacir mit Freunden in New York alle diese Ortsnamen, erfährt dadurch Hunderte von neuen Geschichten aus der "Heimat". Das bloße Relikt des Zeltes kann das leider nicht vermitteln. Eher die heuer bei der Biennale Istanbul ausgestellte Serie Where we come from, in der jeweils ein Text eine Person beschreibt und deren Bitte an Jacir - die sich durch ihren US-Pass in Palästina frei bewegen kann - wiedergibt. Das gegenüberliegende Foto zeigt jeweils die Ausführung der Bitte, die sich simpel anhört: etwa ein spezielles Essen essen; die Mutter umarmen; Früchte aus dem ehemaligen Garten ernten.

Der 2002 in Cannes ausgezeichnete kontroversielle Film des Palästinensers Elia Suleiman, Divine Intervention, steht ebenso außerhalb einer dezidierten Betroffenheitsästhetik. Emily Jacir lässt die Fakten sprechen, damit alles nicht zu sentimental gerät - oft die Gefahr bei dezidiert "politischen" Arbeiten die, gutmenschlich gemeint, nach hinten losgehen. Dass unter Palästinensern auch Christen sind, könnte man allerdings auch anders zeigen als mit einem mit Palästinaflaggen-Kugeln behängten Christbaum, den Jacir ins OK-Stiegenhaus stellt.

Wie sehr mit eigenen Klischees und Vorurteilen operiert wird, die angenommen und geglaubt werden, demonstrieren die von Jacir aus der New Yorker Village Voice herausgehobenen Inserate von PalästinenserInnen, die auf jüdische Partner- (und Pass-)Suche zwecks Rückkehr nach Palästina gehen. Es sucht etwa ein "male of semitic good looks" eine jüdische Frau. Der Konnex zu Linz, wo Jacir ein zweimonatiges Arbeitsstipendium erhielt, ist klein und - im Verband mit den anderen Arbeiten - witzig: Jacir filmte den Hauptplatz jeweils samstags beim Ertönen der 12-Uhr-Sirene - und alles nimmt, die Sirene ignorierend, seinen Lauf.

Es ist die Stärke Jacirs, neben einer fast dokumentarischen Strenge auch jenseits des Palästinaproblems zu blicken und Dinge ins Allgemein-Menschliche und Metaphorische zu rücken. Das stellt sie - mit wenigen Abstrichen - außerhalb der sattsam bekannten wie vorhersehbaren, austauschbaren durch die vergangene Documenta promoteten hippen Arbeiten, die viele Künstler der jüngsten Zeit am laufenden Band produzieren. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.12.2003)