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Foto: REUTERS/Larry Downing
Die Präsenz der beiden wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger in den USA hat sich gewandelt. Vor drei Jahren hielt sich der damals frisch gewählte Präsident George W. Bush eher bedeckt. Öffentliche Auftritte entsprachen dem Üblichen. Positionsbezüge und Aktionen blieben rar. Dafür war die Geldpolitik des Zentralbankchefs Alan Greenspan in aller Munde. Keine Handelssitzung an den globalen Finanzmärkten und kein Prognoseseminar von Anlagestrategen kam ohne eine neues Signal oder die neue Interpretation eines alten Signals der amerikanischen Notenbank (FED) respektive des selbst von Experten als Hexer und Wunderrabbi gepriesenen Notenbank-Chef Greenspan aus.

Bush stellt sich vor...

Heute ist das Gegenteil der Fall. Der Präsident – und sein Anfang Jahr ausgetauschtes neues Wirtschaftsteam – haben die wirtschaftspolitische Agenda an sich gerissen. Ob Konjunkturbelebung, Dollarpolitik oder die Handelskonflikte mit China und der Europäischen Union, die Öffentlichkeit blickt gespannt auf die nächsten Aktionen des Weissen Hauses. Hingegen ist es um den grossen Meister der US-Geldpolitik still geworden. Knappe, immer gleich lautende Communiqués folgen den zinspolitischen Sitzungen. Während die Kollegen im Spitzengremium der Zentralbank fleissig öffentliche Referate halten und sich zur Zinsstrategie äussern, scheint es Greenspan nicht mehr zu gelingen, die weltweite Investorenschaft wie früher in seinen Bann zu ziehen.

Dabei sprach niemand so offen wie eben Greenspan – wider und trotz aller seiner verklausulierten Sätze, die bekanntlich selbst seiner Frau den Heiratsantrag unverständlich erschienen liessen - von einer Deflationsgefahr, als sich herausstellte, dass die Zinsen am Kapitalmarkt nicht rasch genug fielen. Das «D»-Wort hatte Erfolg: Die Renditen der US-Staatsanleihen gaben 2003 auf ein Rekordtief nach. Inzwischen haben sie sich davon entfernt, denn die Aussicht auf rasch wachsende Staatsdefizite der Bush-Regierung verträgt sich nicht mit den niedrigsten nominalen Anleihencoupons seit über vierzig Jahren. Aber dessen ungeachtet gilt die Devise des Fed weiter: Die Leitzinsen bleiben so lange wie möglich tief, bis sich die Konjunktur erholt.

Nichtsdestoweniger warnen nicht mehr wenige vor etlichen drastischen Zinsschritten der FED im nächsten Jahr, um jegliche Inflationsgefahren einerseits im Keim zu ersticken, andererseits den US-Dollar wiederum auf Kurs nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Finanzierung der rekordhohen US-Verschuldung zu bringen. Umso mehr wartet die internationale Investorengemeinde auf Zinsantworten.

...Greenspan

Denn die brennende Frage, wie es an der Zinsfront weitergeht, ist und bleibt unbeantwortet. Greenspans mutiger Sprung ins kalte Wasser, als er im Januar 2001 begann, die Leitzinsen massiv hinabzudrücken, um der Vernichtung von Vermögenswerten entgegenzuwirken, hat seither die Konjunktur-, Zins- und Währungsentwicklung rund um den Globus bestimmt. Fast alle Zentralbanken schlossen sich dem expansiven Kurs an. Die Europäische Zentralbank (EZB) tat ihr Möglichstes, konnte aber nicht so drastisch wie andere die Leitzinsen reduzieren, weil im Euroland die Inflation nie wirklich besiegt wurde.

Gerade Alan Greenspan hat es versäumt, die Beweggründe für die anhaltend expansive amerikanische Geldpolitik zu erläutern. Fest steht jedoch, dass das FED um eine Leitzinserhöhung nicht herumkommt. Wenn sich die Konjunktur und die Teuerung normalisiert haben, ist nicht einzusehen, warum nicht auch die monetären Rahmenfaktoren auf ein normales Mass zurückgeführt werden. Geschieht das nicht, steigt nur die Gefahr umso grösserer Gegenbewegungen in der Zukunft.

Fed unter Zugzwang

Bei einem einmaligen symbolischen Schritt wird es nicht bleiben, vielmehr ist das Fed wegen des rekordtiefen Niveaus gezwungen, den Fed-Funds-Satz in den folgenden achtzehn Monaten markant zu erhöhen.

Investoren sollten diese Aussicht brauchen vorerst nicht zu sehr fürchten. Zinserhöhungen in Zeiten des Aufschwungs und steigender Gewinnchancen sind nicht schmerzhaft. Aber auf Dauer bewährt sich die alte Regel, und die lautet nun einmal: „Hohe beziehungsweise steigende Zinsen sind Gift für die Börsen!“

Nachlese

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