Wien - Polen laboriert noch immer an den Folgen des gescheiterten "Verfassungs"-Gipfels in Brüssel, und zwar auch buchstäblich. Dem nach einem Helikopterabsturz in einem Korsett und im Rollstuhl fixierte Premier Leszek Miller geht es mit seiner Wirbelsäule schlechter, nachdem ihm EU-Präsident Romano Prodi mit unüberlegtem Animo die Hand geschüttelt hatte. Polen als Staat leidet darunter, dass es nun als der große Blockierer dasteht.

Die Botschafterin Polens in Österreich, Irena Lipowicz, erklärte nun, Polen sei dafür, die ganze EU-Verfassung noch einmal zu debattieren: "Bis Sommer haben wir neue Chancen, binnen eines Jahres eine neue Verfassung zu schaffen." Mit der jetzigen gäbe es viel Unbehagen, das aber unterdrückt werde: "Wir haben aber gelernt, dass es sich lohnt, in der Wahrheit zu leben." Sie bemühte sich auch in einem Pressegespräch, die Motive für Polens Beharren auf der Stimmverteilung in der EU nach dem Modell von Nizza, begreiflicher zu machen: Man habe der Bevölkerung vor dem Referendum, auch mit der Unterstützung des deutschen Kanzlers Schröder, versprochen, dass Polen "unter den Bedingungen von Nizza" (unverhältnismäßig höheres Stimmrecht) in die EU aufgenommen werde. Außerdem habe Polen das Stimmrecht "als Kompensation" für die niedrigeren Agrarförderungen und Nachteile bei der Reise- und Niederlassungsfreiheit verstanden. Man könne nicht ein paar Monate später sagen: "Nizza war schlecht."

Selbstkritisch meinte Lipowicz, vielleicht sei Polen die Usancen in der EU noch nicht gewohnt und hätte für sein Anliegen Verbündete gewinnen müssen. Allerdings: "Viele Staaten haben uns gesagt, dass sie derselben Meinung sind wie wir, aber aus Angst vor einer Kürzung der Subventionen schweigen." Sie könne auch nicht verstehen, wie Österreich eine (leichte) Kürzung seiner Stimmrechte so einfach hinnehme, statt sich mit anderen zu einem zentraleuropäischen Bündnis zu vereinen. (rau/DER STANDARD, Printausgabe, 20/21.12.2003)