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Und noch eine (Advent!) ganz und gar wahre Geschichte: von edlen Herren und Gottesgnadentum im Land unter der Enns. Lehrreich aufbereitet und dargeboten von einer grünen Frouwe.


Einst schickten sich die Getreuen des mächtigen Landesfürsten zu St. Pölten an, für das Heilige Kreuz in die Schlacht zu ziehen. Der misstrauische und eitle Bischof der Landeshauptstadt hatte den Landesfürsten auf die Probe stellen wollen und ihm ein großes, güldenes Kruzifix geschenkt. Der Bischof hatte mit Argwohn beobachtet, dass der Fürst sich anschickte, immer häufiger in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten, sodass der weltliche Glanz jenen des Kirchenmannes zu übertreffen drohte. Der Fürst verstand es prächtig, die Krone und andere Insignien für seine Zwecke zu nutzen.

Der Bischof wollte herausfinden, was der Fürst mit dem Kreuz tun werde, ob er es denn auch an jenem vorzüglichen Orte anbringen würde, wo er sich mit seinen getreuen Lehensmännern traf, um über das Recht für die Menschen im Lande unter der Enns zu entscheiden: Würde der Fürst das geschenkte Kruzifix nicht öffentlich im Saale der Gesetzgebung aufhängen lassen und damit als Herrscher von Gottes Gnaden die Vorherrschaft des Bischofs akzeptieren oder würde er es gar ablehnen, so könnte der Bischof die Frömmigkeit des Volkes anrufen und den Fürsten der Gottlosigkeit zeihen. Der listige Bischof wusste wohl, dass die Macht der Kirche auch beim Volke im Verblassen war, dass viele den Tribut an die Kirche nicht mehr zahlen wollten und ihr deshalb fern blieben, gleichzeitig aber doch vom schlechten Gewissen geplagt wurden und umso eifriger die Symbole der kirchlichen Macht verteidigen würden.

Die List des Bischofs

Wäre die Gesetzgebung des Landes fürderhin jedoch für alle sichtbar unter das Zeichen des Kreuzes gestellt, so hieße dies in aller Öffentlichkeit, dass das Kreuz als staatliches Symbol dero allerhöchste Billigung findet und dass die Ungläubigen im Lande nicht mit dem Wohlwollen des Fürsten und seiner Getreuen zu rechnen hätten. Wie immer der Fürst entscheiden würde, es könnte dem Bischof dabei dienlich sein, die Krone wieder an sich zu binden.

Der Fürst erkannte die List des Bischofs und sann nach einem Ausweg: Er befahl seine Getreuen zu sich und sprach: "Der Bischof will uns auf die Probe stellen und die Politik im Lande unter die Vorherrschaft des Kreuzes stellen. Entspreche ich seinem Wunsche, dann dominiert ein kirchliches Symbol, das Geschenk des Bischofs, die Gesetzgebung. Schlage ich das Geschenk aus, so wird es landauf und landab heißen, der Fürst missachte das Zeichen des Kreuzes."

Und der Landesfürst sann gleichermaßen nach einer List: Er ordnete seinen Getreuen an, zwar das Symbol des Kreuzes in den Sitzungssaal zu nehmen, aber nicht das güldene Kruzifix des Bischofs, sondern ein kleineres, hölzernes Kreuz, welches den Glanz der Krone nicht zu überstrahlen vermochte.

Überdies tat der Fürst, was er in heiklen Situationen stets mit Geschick verstand: Er schickte einen seiner ergebenen Statthalter aus, um dem Volke die Entscheidung kundzutun. So konnte er sicher sein, dass seine Krone keinen Schaden nehmen würde und jeder giftige Pfeil der Kritik den Statthalter treffen würde.

Und so geschah es. Der Statthalter tat die Entscheidung als die seine kund und machte sich die List des Bischofs zu eigen: Da es nun das schlichte Kreuz des Fürsten war, für welches er die Fehde zu führen hatte, begegnete er jeglicher Kritik mit der Inbrunst eines Kreuzritters.

Vergessen waren die Zeiten, in denen sich die Trennung von Kirche und Staat bewährt hatte. Verdrängt war auch jenes Wort des Evangeliums, wonach dem Kaiser zu geben sei, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.

Und in den Wind geschlagen wurden die Warnungen all jener, die da mahnten,‑ dass ein bestimmtes religiöses Symbol, wenn es über alle anderen im weltlichen Bereich dominierte, Zwietracht unter die Menschen im Lande bringen könnte.

Der Statthalter und andere Getreue des Fürsten nutzten die Macht der Krone, um kritische Meinungen zu ächten. In schrillen Tönen machten sie sich zu Hütern des landesfürstlichen Kreuzes, überboten einander wortreich in ihrer zur Schau gestellten Gottesfurcht und ließen keinen Zweifel daran aufkommen dass die Gesetzgebung fürderhin im Zeichen des Kreuzes stattfinden werde. Kritische Stimmen deuteten sie als Ketzerei und ließen keinen Zweifel daran, dass sie bereits gerüstet seien, von St. Pölten aus in einen späten letzten Kreuzzug zu ziehen.

In der Abgeschiedenheit der weiten Wälder des Landes sammeln sie Holz für mediale Scheiterhaufen. Und um ernst genommen zu werden, üben sie bereits im Geheimen – noch etwas unbeholfen und allemal übertrieben – im St. Pöltner Harnisch für die Schlacht der Worte.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann finanziert Raiffeisen sie noch heute. Amen und vergelt's Gott! (DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.12.2003)