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DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp könnte zu einer neuen Aussage nach Wilmington zitiert werden

Foto: Reuters/Schaffer
Wilmington - Der Milliardenprozess gegen den Autokonzern DaimlerChrysler ist durch einen schweren Verfahrensfehler der DaimlerChrysler-Seite am Dienstag überraschend ausgesetzt worden. Die Anwälte des Stuttgarter Autobauers hatten am Montagabend Dokumente präsentiert, die der Klägerseite längst hätten übergeben werden müssen. Richter Joseph Farnan brach die Zeugenbefragung deshalb am Dienstag in Wilmington (US-Bundesstaat Delaware) ab. Ein Magistrat soll die Sachlage am kommenden Montag klären. Ein Kläger-Anwalt schloss nicht aus, dass DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp erneut in den Zeugenstand gerufen werden könnte. Wann der Prozess weitergeht, blieb zunächst offen.

"Wir haben 61 Seiten Dokumente entdeckt, die versehentlich nicht übergeben worden waren", sagte DaimlerChrysler-Anwalt Mike Schell der dpa. Die Vertagung bezeichnete er als Umweg, der durch einen "unbeabsichtigten Flüchtigkeitsfehler" verursacht worden sei. "Ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass die Klage jeder Grundlage entbehrt", sagte Schell.

Verfahren vorzeitig beenden

Die Anwälte des Klägers Kirk Kerkorian (86) und seiner Investmentgesellschaft Tracinda sahen das anders. Ein Rechtsvertreter sagte, im Extremfall könnte das Verfahren wegen der späten Vorlage der Unterlagen vorzeitig beendet und Kerkorian zum Sieger erklärt werden. Kerkorian-Anwalt William McGuiness betonte, dass einige der Notizen den Zeugenaussagen der Daimler-Vertreter direkt widersprächen. "Es ist eine schwerwiegende Sache, solche Dokumente nicht rechtzeitig zu präsentieren", sagte Tracinda-Anwalt Alan Stone. Sein Team halte sich noch offen, ob im Lichte der neuen Erkenntnisse Zeugen, darunter auch DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp, zu einer neuen Aussage nach Wilmington zitiert würden. Richter Farnan hatte den Tracinda-Anwälten diese Möglichkeit am Dienstag eingeräumt. Schrempp hatte vergangene Woche im Kreuzverhör Rede und Antwort gestanden.

Milliardär Kerkorian wirft DaimlerChrysler Betrug vor. Der Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler 1998 sei keine Fusion unter Gleichen gewesen, wie das Unternehmen behaupte, sondern eine Übernahme durch die Deutschen. Deshalb habe ihm beim Umtausch seiner Chrysler-Aktien eine höhere Prämie auf den Aktienkurs zugestanden. Kerkorian und seine Investmentgesellschaft Tracinda verklagten den Konzern auf mindestens 1,2 Milliarden Dollar (973 Mio. Euro) Schadensersatz. Kerkorian war mit 13,75 Prozent bis zur Fusion größter Aktionär von Chrysler.

Handschriftliche Aufzeichnungen

Bei dem Material handelt es sich nach Angaben von DaimlerChrysler-Anwalt Schell um handschriftliche Aufzeichnungen des ehemaligen Finanzchefs von Chrysler, Gary Valade. Er war einer der Chefunterhändler bei dem Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler. Der Richter wies die Parteien an, über den Inhalt der Dokumente nicht zu reden. Aus Kläger-Kreisen hieß es, mit den Material seien zahlreiche bereits erfolgte Zeugenaussagen in völlig neuem Licht zu sehen.

Nach Angaben von Tracinda-Anwalt Stone entscheidet der Richter nach der Unterredungen der Anwälte mit dem Magistrat über das weitere Vorgehen. Er könne die eigentlich für Dienstag geplante Zeugenbefragung von Valade, der für DaimlerChrysler aussagen wollte, unterdrücken oder die Gegenseite zu einer Strafzahlung verurteilen.

Die Zeugenbefragung in dem Prozess sollte ursprünglich an diesem Mittwoch zu Ende gehen. Die Schlussplädoyers sollten schriftlich eingereicht werden. Ein Urteil wurde nicht vor Mai erwartet.(APA/dpa/Reuters)