Der Europäische Rat in
Brüssel hat an diesem
Wochenende verdeutlicht, wie groß die Gegensätze
in der EU wirklich sind. Natürlich gibt es unterschiedliche Integrationsgeschwindigkeiten, natürlich hat sich
längst ein politisches Kerneuropa mit Deutschland und
Frankreich im Zentrum he^rausgebildet, natürlich gehen
die EU-Länder der Eurozone
wirtschaftlich voran, natürlich gibt es verschiedene Sicherheits- und Verteidigungspolitiken, und natürlich spielen nach wie vor Sprachen-
und Kulturvielfalt sowie ein
unterschiedliches Staatsverständnis eine nicht unbedeutende Rolle. Und eine Europäische Verfassung sollte wenigstens in Grundzügen dieser
widersprüchlichen Vielfalt
eine geordnete Handlungsfähigkeit verleihen.
Das ist nun in Brüssel
gründlich danebengegangen.
Und die österreichische Außenpolitik hat zu diesem Misserfolg durch kräftiges Mitzündeln im Vorfeld (wie z.
B. mit
demonstrativer Übereinstimmung in der Verfassungsfrage
mit Polen und Spanien) beigetragen. Ferrero-Waldners
Feststellung in ihrem Buch
"Kurssetzen in einer veränderten Welt", dass Österreich mit
seinen "neuen alten Partnern
in der EU fast so viele Stimmen hat wie die drei großen
(Frankreich, Deutschland,
Großbritannien) zusammen",
ist die Basis der so genannten
regionalen Partnerschaft. Diese Gruppe in der EU soll, wenn
es nach unserer Regierung
geht, als Gegengewicht zu
Kerneuropa (Deutschland,
Frankreich etc.) etabliert werden. Dementsprechend ließ
man in den letzten Monaten kein Thema aus (z.
B. Stabilitätspakt), mit dem man nicht
insbesondere gegen Frankreich und Deutschland zu-
Felde ziehen konnte. Eine
"schlaue Strategie", die uns
nicht nur die Transitniederlage eingebrockt hat, sondern
auch jeglichen Zugang zu den
realen politischen Entscheidungsprozessen versperrt. Österreich hat sich damit in der
EU kleiner gemacht, als es ist.
Die Debatte um Kerneuropa
ist aber auch die Folge eines
Erweiterungsprozesses, der anscheinend an bislang verdrängte Grenzen stößt. Polens
destruktives Verhalten war
wohl nur ein Auslöser dafür.
Wer jetzt für eine zügige Erweiterung bis hin zur Türkei
argumentiert, müsste gleich
zugeben, dass er bestenfalls
für eine Zollunion und nicht
für eine handlungsfähige Gemeinschaft als Ausdruck einer
vielfältigen Integration eintritt. Denn die inneren Widersprüche scheinen auf absehbare Zeit kaum bewältigbar.
Daher müsste die österreichische Außenpolitik davon
ausgehen, dass ein Kerneuropa zunehmend unvermeidbar
scheint. Österreich sollte dabei sein. Aufgrund des bisherigen Verhaltens der Regierung sind die Chancen dafür
allerdings nicht gerade groß.
Umorientierung ist angesagt. (DER STANDARD, Printausgabe, 17.12.2003)