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Einer der Gründe für den "GenderPayGap": Die Qualifikation von Männern leuchtet um einiges stärker als die von Frauen
Foto: APA/Georgy Licovski
Wien - In Österreich verdienen Frauen um 22 Prozent weniger als Männer. Das ergibt ein direkter Vergleich der Brutto-Löhne von Männern und Frauen, wobei die Beträge arbeitszeitbereinigt addiert werden (d.h. Teilzeitlöhne werden auf Vollzeit hochgerechnet). ExpertInnen betonen, dass der Einkommensunterschied der Geschlechter nicht allein durch die Forderung nach "gleichem Lohn für gleiche Arbeit" verringert werden kann, sondern vielmehr mit einer Neubewertung von Arbeit einhergeht.

Gleichwertigkeit

Dem Prinzip der "Gleichwertigkeit von Arbeit" widmet sich die Soziologin und Entgelt-Expertin Edeltraut Ranftl von der Johannes Kepler Universität in Linz. Sie plädiert gemeinsam mit anderen WissenschaftlerInnen für die Einführung sogenannter "analytischer Arbeitsbewertungsverfahren" und stellt in ihrem Buch "Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit" praktische Beispiele für "diskriminierungsfreie Arbeitsbewertung" vor.

Kollektivvertrag

Knackpunkt ihrer Untersuchungen ist der Kollektivvertrag als gesetzlich festgesetzte Basis für Lohnverhandlungen. Er bedient sich summarischer Arbeitsbewertungsverfahren, die von groben - und in weiterer Folge - ungerechten Verallgemeinerungen auf die "Normal-Person" geprägt sind. So werden Angestellte generell als "nicht körperlich Arbeitende" eingestuft, während ArbeiterInnen zwar körperliche Arbeit zu-, intellektuelle Anforderungen im Job jedoch abgesprochen werden. "Das ist ein wesentlicher Grund für den niedrigeren Kollektivvertrag bei Handelsangestellten im Vergleich zu Metallarbeitern. Den Kassiererinnen und Regalschlichterinnen wird ihre körperliche Beanspruchung nicht abgegolten", kritisiert Ranftl.

Wesentlich erscheint der Expertin die Schaffung eines einheitlichen Kriteriumkatalogs, anhand dessen jede Arbeit bewertet und verglichen werden kann. Der Einbindung psychosozialer Faktoren kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil sie in derzeitigen Bewertungsverfahren keine Entsprechung finden.

Frauenbranchen

Problematisch sieht Ranftl das Phänomen, dass als weiblich identifizierte Branchen finanziell abgewertet werden. "In der Gegenwart sehen wir das im Immobilienbereich oder auch in der Kommunikation. Je höher der Frauenanteil in diesen Branchen steigt, desto weiter sinkt das Lohnniveau. Der 'Geschlechterwechsel' einer Branche kommt auch immer einer Entwertung gleich." Eine Erklärung für diese Entwicklung sieht Ranftl in der Zuschreibung spezifischer Qualifikationen an eine natürliche Geschlechteridentität. "Im Immobilienbereich wird damit argumentiert, dass Frauen und Wohnen doch schon 'von Natur aus' zusammenpassen, und auch die scheinbare Stärke von Frauen in der Kommunikation wird als natürlich und nicht erlernt angesehen. Ähnlich verhält es sich mit den Pflegeberufen als Bereich der 'natürlichen, weiblichen Fürsorge'. Offenbar sind Frauen zugeordnete Fähigkeiten weniger wert, weil sie nicht erst erlernt werden müssen, sondern als 'von Natur aus' gegeben angesehen werden."

Geschichtlich lässt sich belegen, dass Professionalisierungsprozesse von Branchen oft mit einer Verdrängung von Frauen verbunden sind. Als Beispiel nennt Ranftl die relativ junge Informatik, in der sich ursprünglich viel mehr Frauen ausprobierten. Mit der zunehmenden Bedeutung der Computerindustrie und dem einhergehenden Prestigegewinn, in dieser Branche zu arbeiten, verringerte sich auch der Frauenanteil.

Unterschiedliche Lebenssituation

Ganz wesentlich erscheint Ranftl auch die Berücksichtigung der spezifischen Lebenssituation von Frauen: "Männer kommen in den seltensten Fällen in die Lage, nach einer Babypause wieder in den Beruf einzusteigen. Was dann oft behauptet wird, ist: 'Frauen geben sich ja mit weniger Gehalt zufrieden'. Dabei wird nicht gesehen, was es in dieser Gesellschaft bedeutet, als Wiedereinsteigerin oder Alleinerzieherin einen Job zu suchen. Unsere Arbeitswelt orientiert sich zu sehr an männlichen Realitäten". (freu)