Foto: Filmladen
Wien - Der Fluss gibt die Richtung vor. Die "Donau", ein kleines, betagtes Schiff, ist unterwegs in den Osten, zum Eisernen Tor. An Bord ist eine Tote, die dort bestattet werden will, ihr Adoptivsohn Bruno (Robert Stadlober) und eine vom Zufall zusammengestellte Crew aus (im Westen) Gestrandeten. Die meisten sind auf dem Weg zurück in die Heimat, aus der sie einmal geflohen sind, zurück in die Vergangenheit, mit der sie noch nicht abgeschlossen haben.

Der Krieg ist vorbei, die Donau wieder ungehindert befahrbar. Jeder Film des serbischstämmigen Wiener Regisseurs Goran Rebic erzählt auf seine Weise von der Migration, von ihren Wurzeln und Folgen. Nach dem Gastarbeiterdrama Jugofilm und dem Dokumentarfilm The Punishment, in dem er Serbien nach dem Nato-Bombardement aufsuchte, ist Donau nun ein Film der Versöhnung und schmerzvollen Heimkehr. Ein River-Movie, in dem jeder irgendwann an Land geht und seiner eigenen Geschichte folgt, während Kilometerinserts den Verlauf der Route anzeigen.

Es ist eine fast allegorische Gruppe, in der das persönliche Profil des Einzelnen jeweils für eine gewisse gesellschaftliche Position steht, die Rebic und sein Ko-Drehbuchautor Heinz Ambrosch auf dem Schiff versammeln. Allein, manche Figur daraus gerät zu schematisch und muss ihre allzu offensichtliche dramatische Funktion mit wenigen Sätzen rechtfertigen:

Mathilda (Annabella Mandeng) wird uns etwa knapp als Drogensüchtige vorgestellt, die ein Flussvogel aus ihrer entfremdeten Wiener Existenz lotst. Als zentrale Episode dient ein - ähnlich symbolträchtiger - Vater-Sohn-Konflikt: Der grimmige Kapitän (Otto Sander), einst Freund der Verstorbenen, lehnt es ab, Brunos erträumter Vormund zu sein; je näher das Schwarze Meer rückt, desto inniger wird auch deren Verhältnis.

Die Nebenfiguren wissen in diesem Beziehungssystem eher zu überzeugen, vielleicht weil ihr Drama wahrhaftiger anmutet, sich weniger auf viel sagende Blicke verlässt: Svetozar Cvetkovic und Debisa Dér als Paar, dessen Liebe durch ihre unterschiedliche Herkunft verunmöglicht wird, liefern mit ihrer melodramatischen Darstellung ein dem wehmütigen Tenor des Films angemesseneres Bild.

Strömung und Strudel

Stets mehr als ein Panorama für dieses Stationendrama ist die Donau selbst. Der Fluss bestimmt nicht nur den getragenen Rhythmus des Films, diese Mischung aus Dahingleiten und plötzlicher Turbulenz; er fungiert auch als Setting, indem der historische Moment erkennbar bleibt: Länger als sonst hält die Kamera (Jerzy Palacz) an den kriegsversehrten Fassaden um Belgrad fest oder bindet die Ansicht der zerbombten Brücke von Novi Sad ans ungerührte Gesicht des ukrainischen Mechanikers (Volodymir Goryansky).

Zugleich sucht Rebic das Bild eines anderen Europa, einer karnevalesken Kultur des Überschwangs, die er den schwermütigen Seelen an Bord entgegensetzt. Ein Landausflug nach Bukarest mündet in einen dionysischen Maskenumzug, ein Kriegsheimkehrer ertränkt mit seiner zurückgelassenen Frau das Wiedersehensleid in Wein:

Solche Momente, in denen auch ein Maß an Emotionen zutage tritt, bleiben jedoch rar. Die Szenen, in denen Donau sein eigentliches Ziel und die Ersatzfamilie als endgültigen Hafen ansteuert, laufen mit sonderbarer Beiläufigkeit ab. Der Fluss, dessen erzählerische Dynamik durch eine etwas prätentiöse Voiceover (Eva Mattes) verdeutlicht wird, mündet ins Meer, die Figuren lässt er dabei wie Strandgut an den Ufern zurück. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2003)