Die herausragende Erscheinung in diesem Mordprozess, der mit Alltagstristesse wenig sparsam umgeht, ist der kroatische Dolmetscher. Vor den Augen von ein paar Dutzend Schülern, denen hier eine neue Dimension des Grauens zugemutet wird, rückt er mit seinem Sessel ganz nah an die Angeklagte Ivanca heran und nimmt mit ihr einen erstaunlich zarten und vertraulichen Dialog auf.

Bleikristallaschenbecher"

Von Ivanca war gerade bekannt geworden, dass sie, eine Fleischhauerin, ihrem früheren Ehemann, im blinden Hass auf ihm kniend, mit einem Aschenbecher den Schädel eingeschlagen hat - die Staatsanwältin sagt "Bleikristallaschenbecher", was die Wirkung der Schläge scheinbar erhöht. (Brutaler hätte nur noch "Reichskristallaschenbecher" geklungen.) Anschließend hat die Frau ihren Ex-Mann erwürgt, die Leiche in den Keller geschleift (wo diese Wochen später verwest gefunden wurde), den Tatort sauber gemacht und zwei Bier getrunken. - Da ekelt sogar den Verteidiger. "Sie war offensichtlich sehr erregt durch die Ereignisse", distanziert er sich. Aber der Dolmetscher sitzt versöhnlich neben ihr wie ein Pfarrer, der ihr die Beichte abnimmt, gerade dass er nicht den Arm um sie legt. Schön, dass das die Schüler als Kontrastprogramm zum Grusel der Anklage sehen.

Mit Gewalt

Auch diese Geschichte hat ihre andere Seite. Ivanca hatte ihren ersten Mann im Bürgerkrieg verloren, heiratete den Bosnier Djuro, einen schweren Alkoholiker, bekam zwei Kinder und zog mit der Familie nach Wien. Er arbeitete als Fleischer beim Merkur, sie beim Billa. Daheim begann auch sie zu saufen, um seine Sucht und die Schläge zu ertragen. Immer öfter und immer fester schlug sie zurück.

Schließlich ließen sie sich scheiden. Ivanca hatte einen neuen Lebensgefährten - einen Alkoholiker. Der musste nach einem Herzinfarkt ins Spital. Wegen der Kinder sah sie Djuro wieder öfter. "Wenn er angetrunken war, wollte er es immer mit aller Gewalt", übersetzt der Dolmetscher. Sie wollte "es" nicht. Sie wollte "es" so sehr nicht, dass sie ihn tötete. Am Donnerstag wird das Urteil gesprochen. (DER STANDARD; Printausgabe, 27.11.2003)