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Verhaltensforscher Konrad Lorenz

Foto: APA/dpa/Göbel
Die Diskussionen um Konrad Lorenz wurden anlässlich seines 100. Geburtstages am 7. November wieder lauter, verstummt sind sie freilich nie. Denn auch in den Jahren nach seinem Tod hat der Nobelpreisträger immer wieder die Gemüter erregt. Seitens der modernen Wissenschaft aber scheint das Thema Lorenz völlig abgehandelt zu sein. "Die Verhaltensforschung sieht in Lorenz auch heute noch einen Pionier, der viel für die Anfänge dieser Wissenschaft getan hat - die moderne Ethologie hat sich aber in eine ganz andere Richtung entwickelt", erklärt Eva Millesi vom Institut für Zoologie der Universität Wien dem STANDARD.

Damals sei die "Gründung der Schule der Ethologie" revolutionär und ein krasser Gegensatz zu den Behavioristen gewesen. Heute spielten Lorenz' Thesen "aber eine untergeordnete Rolle", sagt Millesi. Die Ethologie habe sich in "viele Teile aufgeteilt, die sich mit Verhaltensforschung in unterschiedlichsten Bereichen beschäftigen". Ausdrückliche Thesen des "Vaters der Graugänse" würden kaum noch angewendet.

Lorenz habe das für die damalige Zeit Einzigartige geschafft, wissenschaftliche Thesen einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. "Die Forschung unmittelbar am Tier war auch für Laien leicht nachvollziehbar, jeder hat Ähnliches an seinem Hunderl daheim ausprobieren können", veranschaulicht Millesi. Lorenz' Popularität, seine enorme Medienwirksamkeit sei auch Ursache kritischer Stimmen. "Eine seiner Eigenschaften war, Thesen zwar zu erstellen, auf deren wissenschaftliche Untermauerung aber teilweise zu verzichten", kritisiert Millesi. Deshalb seien aus heutiger Sicht viele Behauptungen Lorenz' - vor allem aus der Verhaltensforschung abgeleiteten Erkenntnistheorien - "grundlegend falsch".

Zu hinterfragen sei auch die Art der Beobachtung bei Lorenz' Tierforschungen. "Für die moderne Forschung über das Verhalten von Tieren ist es sicher besser, diese aus einer gewissen Entfernung zu beobachten." Man sollte als Mensch nicht Teil der beobachteten Tiergruppe sein, weil dadurch die "Gefahr der Beeinflussung sehr groß ist." Ob bewusst oder mit politisch naivem Opportunismus, dürfte Lorenz' Publizität gepaart mit fragwürdigen Thesen über "Rassenlehre" dazu beigetragen haben, dass der Forscher das Interesse von Nazigrößen auf sich zog.

(DER STANDARD, Print, 07.11.2003)