Medienwerkstatt
Kunstproduktion, Reflexion und Vermittlungsarbeit in einem Bereich, der nicht immer modisch den Creative Industries zugeordnet wurde: Eine verdienstvolle Institution feiert ihr 25-jähriges Bestehen - die Medienwerkstatt Wien und ihr Team im Porträt


Wien - Wien, im Herbst 2003. In einem Hinterhaus in Wien-Neubau, hinter einer Tür, an der nur ein schlichtes Schild auf die "Medienwerkstatt Wien" verweist, laufen die letzten Vorbereitungen für eine Veranstaltung in eigener Sache: Die Medienwerkstatt wird dieser Tage nämlich 25 Jahre alt. Und präsentiert sich deshalb einen guten Monat lang mit Workshops und Installationen, einer Filmschau im Votivkino, einer "Reise aufs Land" im Video-Bus oder diversen von Gästen kuratierten Videoabenden.

"Nichts Reminiszentes, sondern ein Jetzt-Programm" also, oder: die geballte Bandbreite dessen, was hier übers Jahr und durch die Jahre hindurch in schöner Regelmäßigkeit erarbeitet und veröffentlicht worden ist.

Die Veranstaltungsreihe steht unter dem Motto partly truth, partly fiction. Der Titel, bei US-Countrysänger Kris Kristofferson entlehnt, "passt in zweifacher Weise zu uns", meint die Videokünstlerin Gerda Lampalzer, die die Medienwerkstatt heute mit der Medienkünstlerin Eva Brunner-Szabo und dem Filmemacher Manfred Neuwirth leitet: Zum einen seien Jubiläen häufig mit Legendenbildungen verbunden.

Zum anderen würden "Wahrheit" und "Fiktion" jedoch auch jenes Spannungsfeld umschreiben, in dem sich viele der gezeigten Arbeiten bewegen - bis hin zu Lampalzers Eröffnungsinstallation Translation, die aus der akribischen Zerlegung von Statements in vier Sprachen ein herrlich holperndes Kunstdeutsch erzeugt und komische kleine Sinnsprüche generiert.

Demo-Bilder

25 Jahre und ein Rückblick in vielen Bildern: zum Beispiel Wien im Herbst 1979: Ein Demonstrationszug schiebt sich über die Stufen des Wiener Rathauses. Im Frühsommer hatten Jugendliche die Burggartenwiese als Treffpunkt für sich entdeckt. In der Folge kam es zu polizeilichen Räumungen. Die Demonstrationen im Herbst sollten "Freiheit für den Burggarten" erwirken.

Eine von Manfred Neuwirth markant verlangsamte Einstellung aus diesem Zeitdokument kann man derzeit im Kino sehen, als Trailer für partly truth, partly fiction. Zugleich verweist sie - als Auszug aus einem Beitrag der Volksstöhnenden Knochenschau - auch zurück an die Anfänge, als die Medienwerkstatt 1978 im Gefolge der Arena-Bewegung und anderer sozialer und politischer Bewegungen als (Schnitt-)Studio für unabhängige Videoarbeit gegründet worden war.

Anfangs, meint Gerda Lampalzer, habe in den Arbeiten aus der Medienwerkstatt eher das jeweilige Anliegen die Form dominiert. Bald habe sich jedoch jenes Spezifikum herausgebildet, das heute noch viele (Eigen-)Produktionen der Medienwerkstatt prägt (und sich inzwischen nicht zuletzt im internationalen Ausstellungsbetrieb wiederfindet): die Verknüpfung eines dokumentarischen Blicks mit einer künstlerischen Position und die Entwicklung experimentellerer Formen des Dokumentarischen.

Unabhängigkeit

Während etwa in den 80er-Jahren ein Gutteil der entsprechenden unabhängigen Wiener Videoproduktion in der Medienwerkstatt realisiert wurde, hat sich die Produktion nun auf die vielen mit Schnittprogrammen aufgerüsteten Homecomputer verlagert. Deshalb hat inzwischen, so die Betreiber und Betreiberinnen, die Vermittlungsarbeit einen größeren Stellenwert neben der Weitergabe von technischem Know-how, das an künstlerischen Anforderungen und Bedürfnissen erprobt ist und diese auch berücksichtigt.

Man vermittelt konsequent ein "kombinatorisches Wissen" (Lampalzer) und macht darüber hinaus mit Personalen, Ausstellungen, Videovorführungen oder Projekten wie der 2001 veröffentlichten umfangreichen Video Edition Austria Videogeschichte zugänglich. Und fungiert gegen die Verfallszeit dieses labilen Trägermediums auch als Archiv.

Dass die Medienwerkstatt mit ihrem Angebot (der Produktion von DVDs u. ä.) inzwischen unters Label "creative industries" fallen könnte - diesem Umstand steht das Team jedenfalls gelassen gegenüber: "Das ist etwas, was wir ein bisschen verweigern. Wir versuchen, den längeren Atem zu haben. Wir achten darauf, dass es immer auch eine inhaltliche Begründung hat, warum wir etwas tun", so Gerda Lampalzer.

Und: "Die Gratwanderung zwischen den Formen ist die Besonderheit der Medienwerkstatt. Immer wenn was grad ganz modern ist, ist man schon ein Stückchen weiter. Das kommt einem nicht immer zugute. Es wird selten als Qualität erachtet - außer im Rückblick", meint Eva Brunner-Szabo.

Einen solchen kann man ab sofort auch auf der relaunchten Homepage vornehmen. Auch hier, so Brunner-Szabo, geht es darum, Geschichte zugänglich zu machen. Außerdem gibt es in bester partizipatorischer Kunsttradition ein "Beteiligungsspiel". Und auch dazu könnte man mit einem Zitat aus Gerda Lampalzers Translation wohl sagen: "Das ist was Schönes. Da ist was dran." (DER STANDARD, Printausgabe vom 4.11.2003)