Prag/Köln - Ein UNICEF-Bericht über umfangreiche Kinderprostitution an der deutsch-böhmischen Grenze ist in Tschechien auf Ablehnung gestoßen. Die Behörden hätten die Organisation Karo, auf deren Angaben die Studie basiere, in den vergangenen Jahren mehrfach um konkrete Informationen gebeten, jedoch nie solche erhalten, sagte ein Sprecher der Sondereinheit gegen Organisierte Kriminalität am Freitag in Prag. Das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF wies die Kritik zurück.

Studie ist wissenschaftlich fundiert

Der am vergangenen Dienstag vorgelegte Bericht auf der Basis von Daten der Organisation Karo sei wissenschaftlich fundiert, sagte Helga Kuhn, Sprecherin von UNICEF Deutschland in Köln. "Wir wehren uns gegen Unterstellungen, die die Arbeit von Karo als unseriös bezeichnen", sagte Kuhn. Der Bericht der Organisation, die seit 1994 in Tschechien arbeite, sei durch fundierte Interviews mit Betroffenen, der Polizei und Mitarbeitern sozialer Einrichtungen entstanden. Kuhn betonte, das Angebot der Zusammenarbeit mit den tschechischen Behörden werde aufrechterhalten.

Razzia brachte keinen Erfolg

Hingegen warf Jakub Svec vom tschechischen Innenministerium am Freitag Karo vor, mit den Angaben vor allem den Erhalt öffentlicher Zuschüsse sichern zu wollen. "Die Nummernschilder der Autos angeblicher Kindersex-Touristen, die Karo uns einmal gegeben hat, waren in Deutschland überhaupt nicht registriert", sagte Svec.

Unter anderem als Reaktion auf den Bericht habe die tschechische Polizei in der Nacht zu Freitag Nachtclubs in Südböhmen untersucht, berichtete das tschechische Fernsehen am Freitag. Bei der Razzia seien keine Anhaltspunkte für Kinderprostitution gefunden worden.

Keine Beweise

Die böhmische Bürgerinitiative "Jana" sagte dem Prager Rundfunk am Freitag, die Zusammenarbeit mit Karo sei eingestellt worden, weil man den Eindruck habe, die Organisation arbeite unseriös. Ablehnung kam auch vom Oberbürgermeister der westböhmischen Grenzstadt Cheb (Eger), Jan Svoboda: "Wenn Karo Beweise über massive Kinderprostitution hat, verstehe ich nicht, warum sie diese nicht der Polizei gegeben hat." "Eine solche Boulevardisierung verträgt dieses sensible Thema nicht", kritisierte ein Mitarbeiter des Außenministeriums in Prag.

Sextouristen

Am Dienstag hatte UNICEF die wachsende Kinderprostitution an der deutsch-tschechischen Grenze angeprangert. Zuhälter reichten deutschen Sextouristen inzwischen schon Säuglinge und Kleinkinder in die Autos, teilte die Hilfsorganisation in Berlin mit. Kinder und Jugendliche böten sich Freiern an Tankstellen oder Raststätten an, ihre Zuhälter seien häufig Eltern oder Geschwister aus ärmlichsten Verhältnissen. (APA/dpa)