Eine Zunahme der Strafanzeigen, ein geringes Plus bei den Zahlen der ermittelten Täter, aber ein vier Mal so hoher Anstieg bei den Haftzahlen - einen Erklärungsansatz für diese Entwicklung lieferte heute, Dienstag, Univ.-Doz. Dr. Arno Pilgram vom Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie in Wien: "Es werden von den Straftätern, gegen die etwas vorliegt, mehr eingesperrt", sagte er.

Gesellschaftlicher Konsens

Eine Ursache dafür sieht der Experte nicht nur in einem tatsächlichen Anstieg der Kriminalität: "Meine vorsichtige soziologische Interpretation lautet, dass bis zum Jahr 2000 der gesellschaftliche Konsens bestand, dass die Freiheitsstrafe das letzte Mittel zu sein hat - zumindest unter denen, die etwas zu sagen hatten. Dieser Konsens ist jetzt zumindest in Frage gestellt, wenn nicht gar beseitigt." Pilgram ergänzte, dass ein "zeitlicher Zusammenhang" zum Regierungswechsel bestehe.

"Schärfer reagiert"

Pilgram wies darauf hin, dass nun "schärfer reagiert" werde. "Das hängt zum Teil damit zusammen, dass man es mit 'fremderen' Tätern zu tun hat, auf die man weniger soziale Rücksicht nimmt", sagte der Forscher. Aber: "Diese Tendenz zur Strenge schlägt auch auf Österreicher durch, diesen Schluss lassen die Daten durchaus zu." Dieser Punkt sei ein Hinweis auf die Infragestellung des früher bestehenden gesellschaftlichen Konsens.

"Unverständnis"

Der Kriminalsoziologe sagte, dass zudem in der Bevölkerung und in politischen Zirkeln einem bürgerlich-liberalen Rechtssystem "Unverständnis" entgegengebracht würde. Das wirke umso stärker, wenn die Elite so denke. Die Rolle von Medien dabei? "Wissen Sie, jede Bevölkerung hat die Medien, die sie verdient. Medien schaffen sich umgekehrt die Bevölkerung, die sie gern hätten", sagte Pilgram. (APA)