Berufsberatungen haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Heute werden die Human Potentials via Messe und andere Events rekrutiert und betreut. Besonders die Personalisten bekannter Konzerne schwören derzeit auf diese subtile Art des Auswahlverfahrens.

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Martin zählt nicht unbedingt zu den typischen Messebesuchern. Er ist Student an der TU und wird im kommenden Sommersemester sein Studium der Elektrotechnik abschließen. Doch vorher will Martin ausloten, wie seine Jobaussichten sind.

Während er noch vor einigen Jahren mindestens 20 Blindbewerbungen verschickt hätte, wird Martin diesmal auf eine Berufsinformationsmesse für Technikstudenten gehen. Dort kann er nicht nur Kontakte zu Unternehmen knüpfen, sondern auch Informationen über neue Jobtrends und vakante Positionen bekommen. "Gerade im IT-Sektor suchen wir besonders viele Hochschulabgänger", bestätigt Manfred Philipp von den IVM Technical Consultants in Wien.

Großer Bedarf an Absolventen

IVM habe großen Bedarf an Telematikstudenten, aber auch an Software-Entwicklern. Insgesamt wird das auf IT-Consulting spezialisierte Unternehmen kommendes Jahr in seinen vier Niederlassungen (Graz, Linz, Salzburg und Wien) rund 40 Studienabsolventen - insbesondere in Sachen Projektgeschäft - anstellen.

"Unsere Mitarbeiter werden laufend zu Weiterbildungsseminaren geschickt", erzählt Philipp. Neben der technischen Ausbildung bezahlt IVM seinen neuen Mitarbeitern auch persönlichkeitsfördernde Seminare: "Denn jeder unserer Consultants arbeitet ja auch mit Kunden direkt zusammen", sagt Philipp.

Dem pflichtet auch Astrid Kramer vom Technologie-Entwickler Beko bei: "Wir suchen verstärkt Software-Entwickler mit Java-Kenntnissen." Weiters will Beko heuer Hardware-Entwickler, IT-Consultants, Kunststoff- und Elektrotechniker finden: Insgesamt seien zehn Jobs ausgeschrieben, die man an TU-Absolventen vergeben will. Wer als Consultant beginnen will, muss bereits ein Praktikum absolviert haben.

Noch höhere Erwartungen

"Die Erwartungen an Techniker mit Uni-Diplom könnten in Zukunft noch höher geschraubt werden", sagt Martin Mayerl, Geschäftsstellenleiter des Finanzdienstleisters MLP. Seit ein paar Jahren wehe den lange verwöhnten TU-Absolventen auf dem Arbeitsmarkt ein rauer Wind entgegen. Dafür verantwortlich sei neben der Konjunktur auch die konstant steigende Absolventenzahl der wirtschaftsnah ausbildenden Fachhochschulen, da deren Absolventen im Schnitt jünger seien und damit auch ihre Arbeitskraft für ein paar Euros weniger zur Verfügung stellen.

Zusatzqualifikationen wie Kommunikativität, Teamfähigkeit, gutes Englisch und internationale Erfahrung schon während des Studiums seien bereits jetzt wesentliche Entscheidungsfaktoren für die Recruiter der großen Konzerne - und werden in Zukunft noch wichtiger. "Ebenso werden ökonomische Kenntnisse immer mehr gefragt - einige Semester an der Wirtschaftsuniversität oder ein Wahlfachblock mit wirtschaftswissenschaftlichen Fächern empfehlen unsere Personalisten den Technikern", sagt Philips-Sprecherin Beate McGinn. Philips rekrutiere heuer noch an die 60 Positionen, auch in den Bundesländern.

Software-Entwickler gesucht

"Wir suchen Elektro- und Nachrichtentechniker und Telematiker für die Software-Entwicklung, aber auch Wirtschaftsingenieure und Physiker, sagt McGinn. Entscheidend sei nicht, dass die TUler in Rekordzeit ihr Studium absolviert haben, sondern die berufliche Praxis und die Nebenjobs.

Beim Unternehmensberater McKinsey sind neben den Absolventen der Wirtschaftswissenschaften neuerdings Naturwissenschafter, Ingenieure und Absolventen geisteswissenschaftlicher Studien gefragt. Susanne Theisen, Recruiting-Direktorin bei Mc- Kinsey Düsseldorf, sucht für Österreich und Deutschland rund 200 Absolventen, die mit Drei-Jahres-"Fellow"-Verträgen angestellt werden. Bestes Schmankerl für heimische Absolventen: "Die Österreicher können auch nach Deutschland kommen und sich aussuchen, wo sie wohnen wollen." Denn McKinsey ist in Deutschland zwölfmal vertreten und bietet auch sechswöchige Trainings für Wirtschaftswissenschafter an. (Judith Grohmann, DER STANDARD Printausgabe, 28.10.2003)