Wien - Die Österreichisch-Israelische Gesellschaft hat am Montagabend ihr 40-jähriges Bestehen mit einem Festakt in der Nationalbank begangen. Shlomo Avineri, Professor an der Hebräischen Universität in Jerusalem, forderte Europa bei diesem Anlass auf, einen Dialog zur Förderung der Demokratisierung in den arabischen Staaten einzuleiten. "Das erwarten viele Israelis von Europa." Der arabische Raum sei die einzige Region der Welt, in dem in den vergangenen Jahren keine Demokratisierung stattgefunden hätte. "Es gibt keinen arabischen Gorbatschow", so Avineri. "Wo es einen Mangel an Demokratie gibt, ist Frieden schwierig."

Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel seien "tief, kompliziert und ambivalent", erklärte der Professor. Er erinnerte an die in Österreich wenig bekannte Tatsache, dass der Generalkonsul der Habsburgermonarchie in Jerusalem von 1849 bis 1917 die Schutzherrschaft über rund 5000 aus Galizien stammende Juden hatte. Die jüdische Gemeinschaft hätte jüdische Einrichtungen wie Schulen, Spitäler und Synagogen ohne dieser Schutzherrschaft nicht bauen können. Als es 1908 infolge der Annexion von Bosnien-Herzegowina durch Österreich-Ungarn in in Jaffa und Jerusalem zu antiösterreichischen Ausschreitungen kam, hätten sich diese in antijüdische Pogrome gewandelt, was die Verknüpfung zwischen Österreich und Juden im Nahen Osten widerspiegle.

Für den Vater des Zionismus, Theodor Herzl, sei der Zerfall der Habsburgermonarchie ein großer Schock gewesen, sagte Avineri. Mit der Wiederwahl von Karl Lueger zum Bürgermeister von Wien 1895 sei für Herzl deutlich geworden, dass rassistischer Populismus auch demokratisch an die Macht kommen könne. "Und das ist vielleicht auch heute noch so", fügte Avineri hinzu.

Europa soll Demokratisierung in arabischen Ländern fördern

In der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft würden sich die komplizierten bilateralen Beziehungen widerspiegeln, erklärte der Präsident der Gesellschaft, Vizebürgermeister Sepp Rieder (SP). Die Gesellschaft sei anders als andere Freundschaftsgesellschaften in Österreich. Ihr gesellschaftspolitisches Profil mache sie einzigartig und habe ihr in den vergangenen vier Jahrzehnten zahlreiche Wechselbäder der Zuneigung und der Ablehnung in der öffentlichen Meinung und der Politik verschafft.

In diesem Zusammenhang erinnerte Rieder an die Ermordung des ehemaligen Präsidenten der Gesellschaft, Stadtrat Heinz Nittel, 1981 durch palästinensische Terroristen: "Nittel bezahlte mit seinem Leben den Preis für seine Haltung und seinen Einsatz für die internationale Versöhnung und Völkerverbindung." Sich dieses gesellschaftspolitischen Anforderungsprofils heute und auch weiterhin bewusst zu sein, sei wichtig, auch in einer Phase der Entspannung in den Beziehungen zwischen dem Staat Israel und Österreich, die sich darin ausdrückt, dass wieder ein israelischer Botschafter nach Wien entsandt werden soll, so Rieder. Die israelische Regierung hatte nach dem Regierungseintritt der FPÖ im Jahr 2000 ihren Botschafter aus Wien abgezogen und die diplomatische Vertretung herabgestuft.

Kunststaatssekretär Franz Morak (V), der Außenministerin Benita Ferrero-Waldner (V) vertrat, überbrachte eine Grußbotschaft der österreichischen Bundesregierung. Er rief in Erinnerung, dass er als erstes Mitglied der ÖVP-FPÖ-Regierung Israel einen Besuch abgestattet habe. Anlass war die Eröffnungszeremonie der 50-Jahr-Feiern der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und das Internationale Jerusalem Kammermusikfestival, bei dem auch ein Werk, das vom Gottfried-von-Einem-Quintett gespielt wurde, auf dem Programm stand. (APA)