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Männer halten nach wie vor an den alten Rollenvorstellungen für die Wunschpartnerin fest.
Foto: APA/dpaweb/Thissen
Washington - Das Geschlechterverhältnis mit Statistik zu erklären, klingt langweilig und scheint dem spannenden Thema Sex, Partnerschaft und Liebe so gar nicht angemessen. Doch der New Yorker Politikwissenschaft-Professor Andrew Hacker nähert sich der Diskussion, bei der sicher jeder seine ganz persönliche Meinung hat, über nüchterne Zahlen aus Volkszählungen, Umfragen und Studien. Hacker versucht den Beweis zu führen, wie sehr die Kluft zwischen den Geschlechtern in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen ist. In seinem im März erschienenen Buch "Mismatch" (bedeutet etwa "nicht zusammenpassend") lautet die zentrale These, dass die Vorstellungen der Geschlechter über eine Partnerschaft in wenigen Jahrzehnten enorm auseinandergedriftet sind.

Frauen geben Rollenvorstellungen eher auf

Die Suche nach der/m idealen Lebenspartner/in stehe zwar weiterhin im Mittelpunkt. Doch bei den Frauen hätten sich die Anforderungen an ihren Traummann stark gewandelt, während die Männer nach wie vor an den alten Rollenvorstellungen für die Wunschpartnerin festhielten. Wegen der Inkompatibilität dieser Erwartungen werde "Mr. or Mrs. Right" daher immer öfter nur mehr zu "Right now" - immer mehr Partnerschaften und Ehen zerbrechen.

Männer auf der Suche nach dem "Nest"

Demnach akzeptieren die meisten Frauen die noch in den fünfziger und sechziger Jahren weitgehend gelebte Rollenzuteilung nicht mehr, dass sie dem (Ehe-)Mann untergeordnet seien und ihr Leben auf seine Förderung konzentrieren müssten. Stattdessen wollten sie als ganze Persönlichkeit akzeptiert werden und sich in einer Partnerschaft weiterentwickeln und entfalten. Männer suchten hingegen immer noch mehrheitlich ein "Nest", in das sie sich nach der Arbeit zurückziehen können, während Emotionen und gegenseitiges Verständnis als weniger wichtig gelten. Dies wiederum frustriere viele Ehefrauen, weshalb auch 56 Prozent der Scheidungen in den USA bereits von ihnen eingereicht werden.

Jüngere bevorzugt

"Männer sind egoistische Schweine. Und es gibt zu wenige davon", fasst die Kritikerin der "New York Times" zwei Aussagen des Buches, leicht zugespitzt, zusammen. Männer würden sich von der (Ehe-)Partnerin die Verwirklichung ihrer sexuellen Fantasien erwarten und mangels Realisierung auf die Porno-Industrie ausweichen, meint Hacker. Und die Auswahlmöglichkeit unter akzeptablen Partnern sei für Frauen geringer, etwa weil viele Männer nach einer Scheidung eine jüngere Partnerin heiraten. Zwei Drittel aller Männer zwischen 45 und 54 Jahren gehen ihre zweite Ehe mit einer mindestens zehn Jahre jüngeren Frau ein.

Verlassenschaft Kinder

Jede zweite Ehe in den USA wird bereits geschieden. Nur mehr 60 Prozent der Kinder leben mit ihren verheirateten biologischen Eltern zusammen, 23 Prozent der Kinder werden nur von der Mutter betreut. Väter verlassen zunehmend ihre Nachkommen oder sind von vornherein nicht bereit, sie nach der Zeugung auch aufzuziehen, schreibt Hacker. Während dieses Verhalten früher als moralisch verwerflich galt, sei es heute weitgehend sozial akzeptiert. So bezeichnen sich gar vier von zehn geschiedenen Männern nicht als "Väter" - obwohl sie Kinder haben.

Männer müssten wachsen

Neben der zentralen These des zunehmenden Unterschieds der Geschlechter beschäftigt sich Hacker auch mit dem Thema Vergewaltigung, die er als "ultimativen männlichen Angriff" bezeichnet, der sich gegen alle Frauen richtet. Weiters stellt er das Konzept der Unterscheidung zwischen "Homosexualität" und "Heterosexualität" in Frage und sieht stattdessen die Menschen als bisexuell.

Seine Ausführungen über "Männlichkeit" strotzen von feiner Ironie, wenn etwa das Tragen eines Cowboy-Huts in Texas als männlich gilt, obwohl die meisten "Cowboys" gar nicht reiten können. Ein lesenswertes Buch, dessen Aussagen sicher nicht nur für die USA Diskussionswert besitzen. Wie sich jedoch die Kluft zwischen den Geschlechtern wieder schließen lässt, geht aus dem Bucheinschlag hervor, wo sich ein Mann auf die Zehen stellt, während die Frau Schuhe mit Absätzen trägt: Männer müssten wachsen, um mit den Frauen wieder gleichzuziehen. (APA)