Innsbruck - In Tirol regt sich heftiger Widerstand seitens der Denkmalschützer gegen das mit September in Kraft getretene Sachverständigen- und Ortsbildschutzgesetz. Wesentliche Kriterien und Prinzipien des Ensembleschutzes würden auf der Strecke bleiben, kritisierten das Institut für Baugeschichte und Denkmalpflege der Universität Innsbruck und das Landeskonservatorat des Bundesdenkmalamtes am Mittwoch.

Die neue Fassung des Landesgesetzes ziele auf größere Freiräume der architektonischen Neugestaltung ab, hieß es in einer Aussendung. Das ehemalige Erhaltungsgesetz sei zu einem "Gestaltungsgesetz" geworden. Damit dürfte nach Angaben der Denkmalschützer europaweit das erste Ortsbildschutzgesetz vorliegen, das dem Schutz und der Erhaltung keine Priorität mehr einräume.

Das Gesetz sei ursprünglich eingeführt worden, um den Wildwuchs im Städtebau zu unterbinden, erklärte dazu der Vorsitzende des Sachverständigenbeirats für Ortsbildschutz und Vorstand des Instituts für Baugeschichte und Denkmalpflege der Uni Innsbruck, Univ.-Prof. Rainer Graefe. Nun sei das Gesetz auf Wunsch der Architekten aufgeweicht worden und erfülle seine Funktion nicht mehr, beschrieb er den Interessenkonflikt. "Im Mittelpunkt steht jetzt ein 'harmonisches Miteinander von Alt und Neu' und nicht mehr der Schutz von alten Ensembles".

Der Streit um Bauaufträge konzentriere sich auf Innsbruck und halte seit langem an, erklärte Graefe, der seit rund zehn Jahren den Vorsitz im sechsköpfigen Beirat hat. "Ich mache mir massiv Sorgen um die Entwicklung der Stadt", sagte er. Als Beispiel nannte Graefe den einstigen Abriss der Fenner-Kaserne, die er als "größtes historisches Gebäude der Stadt" bezeichnete. Als weiteren "bösen Einschnitt" führte er die jüngste Renovierung eines Altstadt-Gebäudes an.

Als Folge des "schleichenden Prozesses" wird Graefe die Vertretung der Universität im Beirat zurücklegen und auf Mitgliedschaft und Vorsitz verzichten. "Ich habe die Situation geduldig ertragen, werde aber meine kostbare Arbeitskraft nicht weiter dafür verschwenden", stellte er klar. Auch das Denkmalamt will nicht mehr weiter am Stadtkern- und Ortsbildschutz mitarbeiten und wird sich auf die "denkmalpflegerischen Aspekte" zurückziehen. (APA)