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Foto: APA/EPA/NASA
Wien - Als der Eismann Ötzi oder Julius Caesar zum nächtlichen Himmel blickten, sahen sie im Verlaufe eines Jahres andere Sternbilder als wir heute. Ursache dafür ist das Schwanken oder Trudeln der Erdachse, im Fachjargon Präzession bzw. Nutation genannt. Dank der europäischen Forschungskooperation "Non-rigid earth 'nutation' model" ist es nun möglich, selbst die feinsten Bewegungen der Erdachse auf Zentimeter genau zu berechnen und vorherzusagen.

Das Projekt, an dem auch Wissenschafter der Technischen Universität (TU) Wien beteiligt sind, ist mit sieben anderen in der Endausscheidung für den mit einer Million Euro dotierten EU-Descartes-Preis. Der oder die Sieger werden am 20. November bekannt gegeben.

"Präzession"

Als Präzession bezeichnen die Wissenschafter das regelmäßige und langfristige Trudeln der Erdachse. Mit einer Periode von rund 26.000 Jahren verlagert sich dabei die Erdachse wie bei einem nicht mehr ganz rund laufenden Kreisel. Unter Nutation versteht man dagegen wesentlich feinere und auch unregelmäßigere Bewegungen mit Perioden von Jahren bis zu Tagen. Hervorgerufen werden die Bewegungen durch das Zusammenspiel der Anziehungskräfte der die Erde umgebenden Himmelskörper - Sonne, Mond und andere Planeten. Auch der innere Aufbau der Erde spielt dabei eine Rolle, denn sie ist aus astronomischer Sicht kein starrer Ball, sondern ein bis zu einem gewissen Grad elastisches Gebilde.

Obwohl das internationale EU-Forschungsprojekt als Grundlagenwissenschaft gilt, sind die Ergebnisse praktisch für den gesamten Bereich der Navigation auf der Erde von Bedeutung. "Beispielsweise rechnen die Satelliten des Global Positioning System (GPS) für die Bestimmung der exakten Position die Nutation mit ein", sagte Harald Schuh, Leiter der Abteilung für Höhere Geodäsie der TU Wien. Je exakter sich die Nutation berechnen lässt, desto genauer kann eine Positionsbestimmung durchgeführt werden. Aber auch über den Aufbau des Erdinneren würden sich durch die genaue Modellierung der Nutation neue Erkenntnisse gewinnen lassen. Die herkömmlichen Modelle zur Berechnung der Nutation hatten eine Genauigkeit von rund zwei Metern, im Rahmen des Projekts konnte die Präzision auf zwei bis drei Zentimeter verbessert werden.

Messungen in Wien

In Wien führten Schuh und sein Kollege Robert Weber im Zuge des Projekts vor allem genaue Messungen der Erdbewegung durch. Eingesetzt wurden dazu Satelliten, aber auch die so genannte Radiointerferometrie mit großen Radioteleskopen. Mit den Daten wurden dann die Modelle zur Berechnung gefüttert. Weil einander die Himmelskörper auch gegenseitig beeinflussen, sind die Berechnungen äußerst komplex und umfassen 10.000 bis 12.000 verschiedene mathematische Operationen. Am Projekt waren auch französische, polnische, spanische, deutsche, russische und ukrainische Wissenschafter beteiligt. (APA)