Zugegeben: Josef Pühringer mag in den Ohrläppchen ein Kribbeln verspüren, denn das Signal ist klar. Er zeigt’s dem Wolfgang Schüssel, der ihm den Wahlkampf alles andere als leicht gemacht hat.

Zugegeben: Die oberösterreichischen Schwarzen dürften keine Lust verspürt haben, sich an den "anderen Haider" stärker zu binden, als in einer ländlichen Konzentrationsregierung nötig ist.

Zugegeben: In Oberösterreich ist eine schwarz-grüne Koalition leichter zu schließen als auf Bundesebene, weil es in Linz keine ideologisch fixierte Stadtlinke gibt.

Leider hat sich die Volkspartei (inklusive Pühringer) im Winter nicht getraut, was sie drei Jahre vorher gewagt hat - den Sprung ins Ungewisse. Weil sie nach rechts lieber springt als nach links. Wäre Schüssel im Frühjahr jedoch in einen Pakt mit den Grünen gegangen, ganz Europa hätte auf Wien geschaut wie Wien auf neue Pandabären in Schönbrunn. Aber der Bundeskanzler, sonst dem Poker nicht abgeneigt, ist bei den Regierungsverhandlungen auf Linie geblieben. Die Wahlen hat er mit einem freiheitlich- konservativen Programm gewonnen. Nach Knittelfeld vertrauten ihm sogar viele, viele Blaue mehr als dem irrlichternden Jörg Haider.

Die Ernüchterung folgte auf dem Fuß, die Regierung schlittert von einer Krise in die andere. Die Freiheitlichen haben eine neue Jobrotation erfunden: die bei den Vizekanzlern und bei den Parteichefs. Und weil Jörg Haider ganz offensichtlich zum neuen Chefverhandler der FPÖ aufsteigt, sind die Einschätzungen, der ÖVP-Chef habe den Geheimchef der Blauen vollends gezähmt, bedruckte Makulatur. Was tun?

Die oberösterreichische Realität vergrößert jedenfalls den Spielraum der grünen Parteispitze enorm. Auch wenn ihr Sprecher behauptet, aus dem Pakt sei "kein Signal für den Bund abzuleiten".

Erstmals hängt Grün nicht an der langen sozialdemokratischen Leine, sondern es lebt die behauptete Unabhängigkeit. Was den SPÖ-Geschäftsführer Norbert Darabos auch gleich zur verwegenen These verleitete, Schwarz-Grün entspreche nicht dem Wählerwillen. Eine komische Sicht. Denn immerhin gilt: Was die Wähler numerisch ermöglichen, ist demokratisch machbar.

In Oberösterreich müssen die Grünen nur schnell zur Praxis übergehen. Setzt der neue Landesrat Rudolf Anschober demnächst die eine oder andere Forderung um, dann wächst der Druck auf die Bundes-ÖVP, den Grünen einen fliegenden Wechsel vorzuschlagen.

Alexander Van der Bellen rutscht in ein Dilemma. In Österreich hat es noch nie einen Partnertausch mitten in einer laufenden Legislaturperiode gegeben. Andererseits könnte es bei Neuwahlen zwar schöne Zuwächse geben, aber trotzdem keine grüne Mehrheit mit den Schwarzen.

Wenn die schwarze Alleinregierung mit immer matteren blauen Flecken so weitermacht, geht sich bei einer Abstimmung womöglich weder eine schwarz-grüne noch eine schwarz-blaue Mehrheit aus, sondern nur eine rot-schwarze oder eine rot-grüne. In diesem Fall würde die Volkspartei trotzdem alles tun, um in der Regierung zu bleiben. Die Opposition hat ihr noch nie geschmeckt. Und in der SPÖ gibt es bekanntlich eine Reihe starker Großkoalitionäre.

Jene Beweglichkeit, welche die ÖVP-Spitze im Winter vermissen ließ, hat Oberösterreichs Landeschef gezeigt. Wenn sie einigermaßen funktioniert, wird sie auf andere Ebenen übergreifen. Österreich gewinnt nach und nach jene Buntheit, die es braucht, um endlich aus den Fixierungen der Nachkriegszeit he^rauszutreten.

In der ÖVP wird man versuchen, diese schlimmen Zeiten durchzusitzen. Sie wird damit spekulieren, dass der im Jänner einsetzende Wahlkampf um die Hofburg die innenpolitischen Querelen verdecken könnte. In Wirklichkeit aber braucht Österreich Neuwahlen zum Nationalrat, weil der Zank innerhalb der Regierung und innerhalb der Freiheitlichen die Sacharbeit an die Ränder drängt. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2003)