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Christoph Blocher

Foto: REUTERS/GEORGIOS KEFALAS
Eine hohe Ehre für einen Politdinosaurier: Als Alterspräsident wird Christoph Blocher (63) von der rechtskonservativen Volkspartei SVP das neu gewählte Schweizer Parlament eröffnen. Das wird ihm zuteil, weil er mit inzwischen 24 Dienstjahren der dienstälteste Schweizer Nationalrat ist. Zumindest für eine Stunde ist Blocher damit formell der ranghöchste Schweizer.

Einer der einflussreichsten ist er schon lange. Zwar ist der schwerreiche Chemieunternehmer aus Graubünden in der Schweizer Volkspartei nur Vorsitzender der Zürcher Kantonalsektion. Doch sein Wort hat parteiintern und in den Medien großes Gewicht, und sein Geldbeutel ermöglicht der SVP immer wieder Aufsehen erregende Kampagnen. Dass die Partei, die zuvor vor allem in der Deutschschweiz stark war, in den vergangenen vier Jahren auch in der Westschweiz Fuß fassen und damit auch heuer wieder Wählerstimmen gewinnen konnte, ist sein Verdienst.

Und als Vorsitzender der 40.000 Mitglieder starken "Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz" verfügt der verheiratete Vater von vier Kindern über eine starke außerparlamentarische Kampftruppe, die ihn bei seiner Agitation gegen EU und UNO unterstützt.

Gelegentlich jedoch hören die Schweizer nicht mehr auf Blocher. Der erfolgsgewohnte Populist unterlag mit seiner Opposition gegen die bilateralen Abkommen mit der Europäischen Union im Jahr 2000 und den Schweizer UNO-Beitritt im Vorjahr; als Zugpferd im SVP-Parlamentswahlkampf musste Blocher eine peinliche Schlappe einstecken, als sich in einem tausendplätzigen Saal in Bern gerade 60 Getreue einfanden, um ihn hautnah zu erleben.

Doch Blocher gab sich weiter kämpferisch; er rief seine Anhänger auf zur "allgemeinen Mobilmachung" gegen "die in Bern", die "Versagerkoalition" aus gemäßigten Bürgerlichen und Sozialdemokraten, warnte vor einem "Notstand", wenn seine SVP nicht zur stärksten Partei werde.

Mit seinen lauten Parolen gegen "Scheininvalide", "Sozialschlaraffer" und "Asylkriminelle" sichert sich Blocher immer wieder großes Medienecho im In- wie im Ausland. So gab es etwa scharfe Kritik am Wahlkampfstil der SVP vonseiten des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge: Dies sei "eine der unverfrorensten Kampagnen, die es bisher in Europa gegeben habe", sagte UNHCR-Infochef Ron Redmond vor einigen Tagen. Tiefpunkt dieser Kampagne war ein (schließlich nicht veröffentlichtes) Inserat der St. Gallener SVP mit der Schlagzeile "Wir Schweizer sind immer mehr die Neger"; Blocher fand den Entwurf "sehr gut". Denn so dächten die Schweizer eben. Immerhin: In seiner Eröffnungsrede im Nationalrat will er sich etwas staatsmännisch-gemäßigter geben, so Blocher. (Klaus Bonanomi, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 20.10.2003)