STANDARD: Wie bewerten Sie die Ermittlungen im jüngsten Korruptionsfall in der Agrarabteilung der EU-Kommission?

Bösch: Ich habe den Eindruck, dass hier sehr professionell gearbeitet wurde.

STANDARD: Der verdächtige Beamte hatte offenbar mit Insiderinformationen über Getreidepreise gehandelt. Wie lässt sich so etwas vermeiden?

Bösch: Die Frage stellt sich auch in einem anderen Zusammenhang: Wir müssen auch zum Beispiel kontrollieren, welche Aktien Beamte in der Wettbewerbsdirektion haben, um sicher zu stellen, dass sie keine eigenen Interessen verfolgen, wenn sie über eine Fusion entscheiden.

STANDARD: Den Fall der schwarzen Kassen der Statistikbehörde Eurostat hat die Kommission ja weniger professionell behandelt. Welche Defizite wurden deutlich?

Bösch:EU-Kommissionspräsident Romano Prodis Angriffe auf den suspendierten Eurostat-Generaldirektor im September in Straßburg waren eher primitive Befreiungsschläge. Was nun organisatorisch zu tun wäre: Die Rechnungsprüfer in den einzelnen Generaldirektionen müssten zum Beispiel regelmäßig Berichte an die zentrale Rechnungsprüfung liefern. Die Kommissare bräuchten ein Weisungsrecht für die Generaldirektoren. Auch ist klar geworden, dass Olaf im Bereich der internen Ermittlungen eindeutig unterbesetzt ist; der Schwerpunkt lag bei Betrugsfällen außerhalb. Kommissionsinterne Untersuchungen dauern dann zu lang.

STANDARD: Was müssen die Mitgliedstaaten tun?

Bösch: Bei Luxemburg habe ich zum Beispiel den Eindruck, dass dort der Schutz der finanziellen Interessen der Union nicht sehr interessiert, obwohl dort viele EU-Beamte arbeiten. Überhaupt jammert man, ob nun in Österreich oder Deutschland, darüber, dass man Nettozahler ist. Aber dann kümmern sich die Finanzminister nicht darum, wie das Geld geschützt wird. Das Europäische Parlament allein wird das nicht schaffen können.

STANDARD: Hilft der Eurostat-Skandal den Parlamentariern bei den Europawahlen?

Bösch: Nein, es ist nicht attraktiv, mit offenen Betrugsfällen in die Wahlen zu gehen. Besser ist, dem Steuerzahler sagen zu können: Hier ist etwas passiert, und das alles haben wir dagegen unternommen. Es wird immer Fälle geben, das ist in jeder großen Verwaltung - ob nun einer öffentlichen oder einer privaten - leider unvermeidbar. (Jörg Wojahn, DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 20.10.2003)