Karl Fluch

Nach umsatzstarken Jahren, für die die Wiederveröffentlichungspolitik auf CD gesorgt hatte, stagniert angesichts kopierbarer und aus dem Internet downloadbarer Musik der Markt. Die Gegenstrategien der großen Unterhaltungskonzerne Universal, EMI, BMG, Warner und Sony - letztgenannte schufen mit von ihnen entwickelten CD-Brennern eine der Voraussetzungen für illegales Brennen - fruchteten bisher wenig. Große Handelsketten mit Mainstreamsortiment stehen einer übermächtigen Onlinekonkurrenz gegenüber, während der Einzelhandel nur noch als exquisiter Special-Interest-Shop überlebensfähig scheint. Den bislang spektakulärsten Schritt gegen diese Entwicklung setzte Universal USA, das seine CD-Preise um ein Drittel senkte.

Das ALBUM sprach mit Hannes Eder und Alexander Hirschenhauser über Piraterie, diverse Strategien gegen das räuberischen Tun und das ethische Problem dahinter. Eder war langjähriger Radiojournalist bei Ö 3 und
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Geistiges Eigentum versus

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FM 4 und ist heute Chef von Universal Music Österreich. Alexander Hirschenhauser gehört der Plattenladen Black Market in Wien und betreibt mit Soul Seduction einen weltweiten Musikvertrieb.

DER STANDARD: Universal USA hat mit Anfang Oktober die CD-Preise um rund ein Drittel gesenkt: Warum zieht Europa nicht mit?
Eder: Diese 30 Prozent bekommen nur Händler, die umfassenden Bedingungen zustimmen, die ein Mindestmaß an Regalmetern haben, wovon ein Kontingent nur Universal-Produkten zur Verfügung steht. Es ist geregelt, wie hoch der Händleraufschlag sein darf usw.

Warum macht man das?
Eder: Um die Katalogware und nicht nur aktuelle Charts-Produkte anbieten zu können. Universal will mehr Katalogware anbieten und so der Piraterie entgegentreten. Europa wartet ein paar Monate ab, um zu sehen, um wie viel der Umsatz steigt. Dann wird entschieden, ob man mitzieht. Der Prozentsatz - und den nenne ich hier nicht - ist allerdings sehr hoch.

Bedeutet das den Tod der Händler durch Billigimporte?
Eder: Die Gefahr besteht. Wobei der EU-Markt durch ein Parallelimportverbot geschützt ist.
Hirschenhauser: Aber Amazon hat ein Auslieferungslager in Holland, von wo aus es zu Minimalspesen den europäischen Markt beliefert.

Wirkt sich Online-Piraterie auf ein Geschäft wie Ihres aus?
Hirschenhauser: Ich kann sowohl als Einzelhändler als auch als Vertrieb und Onlineanbieter sagen: ja, negativ auf allen drei Ebenen. Man muss in allen Belangen sehr kreativ sein, spüren und wissen, was man wann, wo und wie platziert. Wir haben einen neuen Onlineshop - soulseduction.com -, vor allem für die Katalogware. Wenn ein Konsument ein Album kaufen will, das drei Jahre alt und - scheinbar - nirgends mehr zu erstehen ist, darf ich nicht böse sein, wenn er es sich downloadet. Katalogware anzubieten, sichtbar und hörbar zu machen ist Anliegen unseres Onlineshops.
Eder: Darum boomen Internetanbieter wie Amazon, die heuer in Österreich 5,6 Prozent vom Gesamtmarkt einnehmen. Der Umsatz steigt, nur findet er nicht in Österreich, sondern in Deutschland statt. Und was wird bei Amazon gekauft? Überproportional Katalogware und Special-Interest-Produkte.

Ist nicht ein Grundproblem, das zur Piraterie führt, die fehlende Qualität? Der Markt ist voller 70-Minuten-CDs mit einem Hit, dessen B-Seite, und der Rest ist Füllmaterial.
Eder: Dieser Umstand hat sich auf das Kompilationsbusiness stark ausgewirkt: Anstatt einen Sampler, auf dem einem vielleicht ein Drittel gefällt, zu kaufen, werden zu 100 Prozent gefällige selber gemacht. Die "Personalized CD" ist ein Versuch der Industrie, diesen Service legal anzubieten.
Hirschenhauser: Die Erwartungshaltung wurde von der CD gesteigert. Früher waren auf einer LP acht, neun Songs. Heute erwartet man durch den hohen Preis offenbar eine gewisse Mindestlänge. Quantität darf aber nicht alles sein. Ich sehe auch nicht, dass die Qualität gesunken ist. Es ist nur sehr schwer geworden, aus der unglaublichen Menge an Veröffentlichungen Qualität herauszufiltern. Der Handel kann diese Mengen nicht mehr präsentieren, die Medien nicht mehr rezensieren, und der Konsument zieht sich verunsichert zurück.

Thema Kopierschutz: Warum wird jemand, der brav eine Original-CD kauft, dafür bestraft, indem er die CD in manchen Abspielgeräten - z. B. im Autoradio - nicht abspielen kann?
Eder: Universal forciert Kopierschutz deshalb auch nicht. Außerdem: Sobald ein neuer Schutz gefunden ist, wird er ohnehin schon wieder umgangen. Der Leidtragende ist der Kunde, weil die Hardware- hinter den Softwareherstellern herhinken.
Hirschenhauser: Kopierschutz ist unsympathisch. Nur muss man eine konkrete Maßnahme von einer generellen Guideline trennen: Musikschaffende haben das Recht, sich und ihr geistiges Eigentum zu schützen. Dieses Verständnis fehlt leider total. Erschwerend kommt eine fast religiöse Haltung dem Internet gegenüber dazu, in dem das Prinzip "anything goes" herrscht. Aber das stimmt eben nicht: Es bedarf dringend eines Lernprozesses, der vermittelt, dass nicht alles gratis ist.
Eder: Es ist ja ein Phänomen, dass bei einem weltweit stattfindenden Diebstahl, der einer Branche jährlich Umsatzeinbrüche von zehn bis 15 Prozent beschert, seitens der Regierenden nichts passiert, um das zu ändern. Nichts! Das ist ja ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Doch es gibt nicht einmal ein Statement. Es wird einfach weggeschaut.

In den USA wurden Teenager von Interessenvertretern der Musikverlage wegen Internetpiraterie verklagt. Erwartet uns bald ein ähnliches Szenario?
Eder: Diese Horrorbeispiele beziehen sich nur auf Uploader und nicht auf Downloader.
Hirschenhauser: Ich würde das gerne in einen größeren Kontext stellen: Es ist unsympathisch, ja, aber man kann sich nicht einfach geschlagen geben. Es geht hier um Eigentumsrecht. Materielles Eigentum - Auto, Haus - ist gesellschaftlich anerkannt und geschützt. Geistiges aber wird zum Abschuss freigegeben.
Eder: Wenn ein Teenager 100 Tracks stiehlt, ist er cool. Wenn er 100 Autos mit einem Schlüssel zerkratzen würde - den Aufschrei möchte ich hören! Der Verband der österreichischen Musikwirtschaft - ifpi Austria - startet eine Aufklärungskampagne: "Value of Music".

Was sind die Zukunftsstrategien der Majors?
Eder: Es wird eine Verschiebung zu Legal Download geben. Die CD wird deshalb nicht aussterben, denn wertige Produkte wird man auch im Zukunft zu Hause im Regal stehen haben wollen. Konkret will Universal Apple und Microsoft zuvorkommen. Universal hat dem britischen Musikprovider OD 2 sein Repertoire zur Verfügung gestellt, samt Linernotes, Artwork und Cover. Aon verrechnet das. Der Vorteil: Demnächst kann man seine Downloads mit der Telefonrechnung mitbezahlen. []