Wien - Mit der Frage, ob das vereinte Europa einmal auch eine gemeinsame öffentliche Meinung haben wird und was deren publizistische Stimme sein könnte, wandte sich DER S TANDARD an Chefredakteure und Publizisten führender europäischer Qualitätsblätter.

Auf den folgenden Seiten sind dazu die Antworten aus den Chefetagen der Neuen Zürcher Zeitung, der überregionalen deutschen Zeitung Die Welt, der Londoner Times und des Guardian zu lesen, aber auch vom Laibacher Tagblatt Delo sowie von Polens bedeutendster Tageszeitung, der Gazeta Wyborcza.


NZZ-Chefredakteur Hugo Bütler empfiehlt eine Art "Verschweizerung" der EU. Bürgernähe müsse tatsächlich gelebt und u.a. durch vermehrte Anwendung direktdemokratischer Methoden realisiert werden. Dazu sei auch "europäisch gedachte und nicht bloß national gefilterte Information" nötig.

Während sich der Welt-Chefredakteur Jan-Eric Peters über die offenbar unbeirrbare bürokratische Maschinerie in Brüssel - und ein bisschen auch über allzu euphorische EU-Fans in der Publizistik - mokiert, konstatiert Peter Preston vom Guardian das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit abseits der Institutionen: etwa unter den jugendlichen Globalisierungs-und Kriegsgegnern, die in ganz Europa von denselben Fragen bewegt werden.

Für Adam Michnik schließlich, den ehemaligen polnischen Dissidenten und nunmehrigen Gazeta -Chef, kann, angesichts ganz unterschiedlicher Erfahrungen der Nationen, ein gemeinsames europäisches Bewusstsein nur durch ehrliche und zivilisierte Debatten über vorhandene Differenzen entstehen. (est/DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.10.2003)