Leogang - Aus polizeilicher Sicht bleibt mit der EU-Erweiterung alles besser. Oder auch nicht. Bei den in Leogang abgehaltenen Sicherheitstagen der Spitzenvertreter der Exekutive gingen die Meinungen auseinander. Für Diskussionen sorgte die Frage, welcher Zusammenhang zwischen Polizeireform und steigender Kriminalität besteht.

Für das heimische Bundeskriminalamt sieht die stellvertretende Direktorin Andrea Raninger den Beitritt von Slowenien, Ungarn, der Slowakei, Tschechien, Polen und Co "ausschließlich positiv". Wie berichtet sei der Anteil der Tatverdächtigen aus den Beitrittsländern am Gesamtbild nicht dramatisch; durch bessere Möglichkeiten zur Zusammenarbeit könne man besser auf grenzübergreifende organisierte Kriminalität reagieren, ist sie überzeugt.

Etwas anders sieht dies ihr Kollege Bernhard Falk, Vizepräsident des deutschen Bundeskriminalamtes. Zwar meint er, "in Deutschland ist die Osterweiterung kein so großes sicherheitspolitisches Thema - das Hauptaugenmerk liegt nach den Anschlägen vom 11. September auf dem islamistischen Terrorismus." In dieser Hinsicht hegt er aber doch Befürchtungen: "Wir wissen zu wenig über etwaige Terrorzellen und Strukturen im Osten", konstatiert Falk.

Ein zweiter heikler Punkt sei Zypern: Dort gäbe es viele Offshore-Firmen, in denen vor allem russisches Kapital investiert sei - die Herkunft des Geldes sei aber oft dubios.

Eher pessimistisch sieht auch Franz Csaszar vom Wiener Universitätsinstitut für Kriminologie die Entwicklung. "Ich glaube, wir müssen uns ernsthaft auf große Probleme einstellen. Die Kriminalität wird nach Umfang und Struktur weiter zunehmen", prophezeit der Experte. Mehr Delikte

Innerhalb der vergangenen drei Jahre sei die Zahl der erfassten Delikte bereits um 20 Prozent gestiegen; erhöht habe sich auch der Anteil ausländischer Verdächtiger - von 14 Prozent auf 24 Prozent. Bei den Verbrechen seien im vergangenen Jahr sogar 40 Prozent aller Verdächtigen keine Österreicher.

Die Ursachen für die steigenden Zahlen könnten zum Teil aber auch hausgemacht sein, mutmaßt Michael Sika, Präsident des Kuratoriums Sicheres Österreich und ehemaliger Generaldirektor für öffentliche Sicherheit. "Es gibt Kritiker, die einen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Kriminalität und den Reformen der Exekutive sehen", referierte Sika. Und berichtete aus eigenen Erfahrungen, dass die Stimmung unter den Beamten "nicht gut" sei.

Von verschiedenen Experten war im Vorfeld der Tagung auch zu hören, dass die Kriminalitätsentwicklung des laufenden Jahres den Trend 2002 fortsetze und neuerlich mit zweistelligen Zuwachsraten bei bestimmten Deliktarten sowie einer gleich bleibend niedrigen oder sogar sinkenden Aufklärungsquote zu rechnen sei.

Innenminister Ernst Strasser (VP) und Ministeriumsmitarbeiter Franz Lang können dieser These naturgemäß weniger abgewinnen. Er verstehe zwar die Fragen seiner Beamten, man müsse aber abwarten, bis die "Team 04" genannte Kommission ihre Umstrukturierungsvorschläge auf den Tisch gelegt habe. Dann werde politisch entschieden und anschließend mit den Personalvertretern offiziell gesprochen, erläuterte der Innenminister vor Journalisten.

"Team 04"-Chefkoordinator Franz Lang gesteht zwar ein, dass Polizeierfolge mit Motivation zusammenhängen würden, die schon durchgeführten und geplanten Reformen würden aber zur Effizienzsteigerung beitragen und die Rolle des Beamten auf der Straße aufwerten, versprühte der Beamte Optimismus.

Wie ihn sich auch Strasser zu Eigen machte: In Wien seien immerhin einige Straßenteile drogenfrei gemacht worden, beispielsweise die äußere Mariahilfer Straße, sagte er. Einwände, die Drogenszene werde mit Razzien verdrängt, nicht aber unterbunden, lässt der Innenminister nicht gelten: "Es wird wohl niemand erwarten, dass die Polizei das Drogenproblem löst." (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2003)