Die Zeit des Fritz Verzetnitsch schien schon abgelaufen. Vor zwei Jahren, als er nach dem Skandal um die Gehälter in der Postgewerkschaft tagelang unauffindbar war, galt es als zweifelhaft, ob er sich 2003 noch einmal um das Präsidentenamt bewerben würde.

Auch die Zeit des ÖGB schien abgelaufen, zumindest in der Form, wie man den ÖGB bisher gekannt hatte: Eigentlich sollte beim diese Woche stattfindenden Bundeskongress die Organisationsreform durchgezogen werden, die einige wenige starke Blöcke aus den Einzelgewerkschaften gebildet hätte und den Gewerkschaftsbund als Dachorganisation abgewertet hätte.

Erste Schritte dazu wurden im Herbst 2001 von Metallern und Privatangestellten gesetzt - so überraschend, dass man den Eindruck bekommen konnte, Verzetnitsch selbst davon erst unmittelbar vor der Pressekonferenz erfahren. Aber die Organisationsreform ist stecken geblieben.

Es gab offenbar Wichtigeres zu tun. Die politischen Konflikte mit der Regierung haben die Kräfte der Gewerkschaft gebunden. Und trainiert. So nebenbei wurde auch in den alten Strukturen eine ganz ordentliche Kollektivvertragspolitik gemacht - Verzetnitsch konnte es sich leisten, diesen Kernerfolg seiner Organisation auf dem Bundeskongress quasi unter "ferner liefen" zu verbuchen: Dass das durchschnittliche Bruttoeinkommen der Unselbstständigen kräftig (von 1920 Euro im Jahr 1999 auf derzeit 2109 Euro) gestiegen ist, ist ja für die meisten Mitglieder die Rechtfertigung, dass es sich lohnt, organisiert zu sein.

Der eigentliche Erfolg scheint aber darin zu liegen, dass der ÖGB zu alter Form zurückgefunden hat: Man nimmt ihn wieder als Kampforganisation ernst - wer so erstarkt ist, braucht sich nicht vorwerfen zu lassen, er sei in alten Strukturen erstarrt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.10.2003)