Die weihnachtlichen Champs Elyées aus ungewohnter Perspektive: "handbikemovie" von Martin Bruch

Foto: Viennale

Phantom-Rides - so nannte man zu Zeiten des frühen Kinos jene Filme (Achterbahnfahrten, Eisenbahnreisen, etc.), zu deren Herstellung man die Kamera auf ein sich bewegendes Objekt montiert hatte, und die ein intensives, physisches Erleben des neuen Mediums ermöglichten. Der österreichische Fotograf und Tontechniker Martin Bruch hat mit seinem handbikemovie nun einen Phantom-Ride der besonderen Art gestaltet:

Das Publikum sitzt gewissermaßen mit auf jenem dreirädrigen Handbike, auf dem sich der an Multipler Sklerose erkrankte Filmemacher fortbewegt. Aus der Helmkameraperspektive lassen sich nicht nur vertraute Stadtgebiete neu entdecken. Der Film - sparsam musikalisch begleitet, ansonsten eine kommentarlose Montage von Fahrtaufnahmen - vermittelt auch ein physisches Erlebnis: Selten hat man im Kino etwa den Unterschied zwischen Kopfsteinpflaster, steilen Bergstraßen oder mehrspurigen Stadtautobahnen so direkt erfahren.

Vier weitere österreichische Dokumentarfilm(ko)produktionen finden sich noch im Programm der Viennale. Zwei davon führen außer Landes: Edgar Honetschläger macht sich mit Il mare e la torta ein heterogenes Bild von Sizilien. Katharina Schneider-Roos und Solveig Klaaßen lassen in Wo de sheyingji bu sahuang/ My camera doesn't lie die unabhängigen chinesischen Filmemacher der so genannten sechsten Generation zu Wort kommen.

Ulrich Seidl hingegen hat mit Jesus, du weißt eher eine spirituelle Reise unternommen und porträtiert sechs Gläubige bei ihrem Zwiegespräch mit Gott. Anja Salomonowitz schließlich hat einen Film mit ihren und über ihre "drei Großmütter" gedreht:

Das wirst du nie verstehen verweist dabei in Gesprächen (und Off-Kommentaren) beständig über die Familiengeschichte hinaus. In ruhigen Montagen reflektiert er die Beziehung der Kriegs- und der Enkelgeneration zur Erinnerung, zum Vergessen und zur Tradierung von Erfahrungen während und nach Ende des Dritten Reichs - und deren Fortlauf in der Gegenwart. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2003)