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Schematische Darstellung des geplanten Krebstherapie- und -forschungsprojekts mit Teilchenbeschleuniger und Behandlungsplätzen, schematische Darstellung Wirkungsweise der Ionentherapie, Factbox.

Grafik: apa/longauer
Wien/Wiener Neustadt - Die im Gesundheitsministerium angesiedelte Bundesstrukturkommission hat in einer Sondersitzung am Montag Grünes Licht für das Krebsforschungs- und -therapiezentrum Med-Austron gegeben. Die Kommission habe einstimmig eine Realisierung des seit Jahren geplanten Projekts in Wiener Neustadt (NÖ) - unter bestimmten Voraussetzungen - empfohlen - "das ist, wie wenn man nach einer acht Jahre dauernden Schwangerschaft die erste Wehe verspüren würde", erklärte der technische Projektleiter von Med-Austron, Erich Griesmayer.

Die Bundesstrukturkommission ist für die Qualitätssicherung im Gesundheitssystem verantwortlich. Unter dem Vorsitz von Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (V) gehören ihr Vertreter des Bundes, der Länder, der Ärztekammer, der Spitäler etc. an. Für Griesmayer bedeutet das Ja der Kommission "die Empfehlung, das Projekt aus gesundheitspolitischer Sicht durchzuziehen".

Voraussetzungen

Als Voraussetzungen nannte die Strukturkommission eine gesicherte Finanzierung des Projekts sowie die Zustimmung des Sanitätsrates. Dieser habe derzeit ein Gutachten zu dem Vorhaben in Ausarbeitung, das in den nächsten Wochen vorliegen soll. "Ich erwarte mir dabei aber keine großen Hürden", sagte der Projektleiter. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung hatte bereits im Jänner eine Empfehlung für das Projekt ausgesprochen.

Das Land Niederösterreich werde in Person von Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka (V) die Federführung bei der Finanzierung des auf 117 Millionen Euro Errichtungskosten geschätzten Projekts innehaben. Griesmayer rechnet mit einer Beteiligung des Bundes, des Landes sowie der Stadt Wiener Neustadt, "wir sind aber bestrebt, auch private Investoren zu finden".

Hoffen auf zügige Umsetzung

Griesmayer hofft, dass das Vorhaben nun zügig umgesetzt werden kann. Dies sei umso wichtiger, als andere europäische Länder wie Italien oder Schweden konkrete Projektpläne für ähnliche Zentren hätten. "Wenn wir uns jetzt nicht beeilen, fährt der Zug ab", so Griesmayer, der hofft, noch 2004 die Finanzierung und Planung abzuschließen. Dann könnte die Ausschreibung erfolgen, 2005 der Spatenstich vorgenommen und 2008 der erste Patient behandelt werden.

Therapie mit besserer Wirkung

In Med-Austron sollen Tumore mit Ionen, konkret Wasserstoff-Kernen (Protonen) und Kohlenstoff-Kernen, bestrahlt und damit zerstört werden. Vorteil dieser Therapie im Vergleich mit bisher eingesetzten Behandlungsformen mit Röntgen- und Gammastrahlen bzw. Elektronen: Die Ionen haben eine deutlich höhere biologische Wirksamkeit, die so gesteuert werden kann, dass sie sich fast ausschließlich im Tumor entfaltet. Dadurch wird das umliegende gesunde Gewebe größtmöglich geschont.

Kernstück von Med-Austron ist ein kreisförmiger Teilchenbeschleuniger mit einem Umfang von rund 70 Metern. Darin werden Wasserstoff- und Kohlenstoffkerne durch elektrische Hochfrequenzfelder beschleunigt und von Magneten auf der Kreisbahn gehalten. Haben die Teilchen die nötige Energie - beispielsweise halbe Lichtgeschwindigkeit -, werden sie aus dem Ring ausgeschleust und über die angeschlossenen Therapieeinheiten millimetergenau etwa auf den Tumor eines Patienten gelenkt.

Prädestiniert für Tumore nahe kritischen Bereichen

Prädestiniert ist die Ionentherapie zum Beispiel für Tumore in der Nähe kritischer Bereiche wie etwa dem Rückgrat. Auch bei der Behandlung von Kindern und speziellen Formen von Primärtumoren ist die neue Behandlungsform von Vorteil. Nach internationalen Studien könnten damit mehr als zehn Prozent aller mit herkömmlichen Strahlentherapie nicht heilbaren Patienten erfolgreich behandelt werden.

Die Therapieform mit Protonen hat sich nach Ansicht der Betreiber von Med-Austron im klinischen Einsatz bereits bewährt, rund 30.000 Patienten seien damit behandelt worden. Die noch Erfolg versprechendere Bestahlung mit Kohlenstoff-Ionen befindet sich dagegen noch im Stadium der klinischen Forschung. Med-Austron soll daher gleichermaßen für Forschung wie auch für Therapie stehen.

1.200 Patienten jährlich

Nach den derzeitigen Planungen sollen mit Med-Austron jährlich 1.200 Patienten - bei durchschnittlich 20 Behandlungen pro Patient - behandelt werden können, eine Ausweitung auf 2.000 Patienten wäre denkbar. Damit würde das Therapiezentrum den österreichischen Bedarf annähernd abdecken. Laut einer Studie werden in Österreich jährlich 36.300 Krebserkrankungen neu registriert. 16.300 Patienten müssen sich einer Strahlentherapie unterziehen, knapp mehr als 2.000 davon kämen auf Grund der bei ihnen festgestellten Tumorgruppe für eine Ionenbestrahlung in Frage.

Med-Austron soll mit den führenden europäischen Instituten der Teilchenbeschleunigertechnik zusammenarbeiten, dazu ist ein "niederösterreichisch-europäisches Netzwerk" geplant. Laut Schätzungen gibt es in Europa derzeit einen Bedarf an zehn Ionentherapie-Einrichtungen. (APA)