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Immmer öfter kehren Skins und Neonazis Deutschland den Rücken und treffen einander in Österreich. Der heimischen Exekutive wird Untätigkeit vorgeworfen

Foto: Reuters/Kai Pfaffenbach
Immer mehr Neonazigruppen weichen für ihre Konzerte und Treffen von Süddeutschland nach Österreich aus. Die Sicherheitsbehörden sprechen von dringendem Handlungsbedarf, andere Experten kritisieren dagegen die Untätigkeit der heimischen Exekutive.

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Linz – Grundsätzlich steht man in Österreich dem Tourismus durchaus wohlgesonnen gegenüber. Auf jüngst boomende "Veranstaltungsreisen" kann man aber hierzulande gut und gerne verzichten. Die Neonaziszene, vorwiegend aus dem süddeutschen Raum, entdeckt Österreich immer mehr für diverse Treffen und einschlägige Konzerte.

Die Situation ist "mittlerweile brandgefährlich, die braune Suppe sickert immer mehr zu uns durch", schlägt Robert Eiter vom oberösterreichischen Netzwerk gegen Rassismus und Rechtsextremismus im Gespräch mit dem STANDARD Alarm. Besonders betroffen seien die Bundesländer Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg.

1000 Nazis bei Konzert

"Treffen solcher Art hat es zwar immer wieder gegeben – oft unter kulturpolitischem Deckmantel – jetzt hat sich die Situation aber deutlich verschärft", erklärt Eiter. So habe es allein in Oberösterreich in den vergangenen Monaten zwei "eindeutig rechtsradikale" Veranstaltungen – meist gut getarnt zum Beispiel als harmlose Geburtstagsfeier – gegeben: "In Geinberg (Ried im Innkreis) haben sich im Juli rund 400 deutsche und österreichische Neonazis getroffen, in Vorchdorf (Bez. Gmunden) strömten im September rund 1000 Nazis zu einem Konzert von einschlägigen Gruppen", erläutert Eiter.

Bei letzterer Veranstaltung sei auch jener deutsche Neonazi zugegen gewesen, der jüngst in München verhaftet worden ist. Der Mann, der als Führungsfigur der süddeutschen Naziszene gilt, steht unter dem Verdacht, Sprengstoffanschläge auf ein jüdisches Gemeindezentrum und andere Einrichtungen geplant zu haben.

Kritik an Untätigkeit der Behörden

Besonders schlimm sei die "Passivität der zuständigen Behörden", sagt Eiter. Von beiden Veranstaltungen hätten – wenn auch nur kurz vorher – die Behörden erfahren, passiert sei aber trotzdem nichts. "Im Fall Vorchdorf hieß es: Wir wollen nicht anecken und die Situation nicht zur Eskalation bringen – die Skins konnten also unbehelligt feiern", kritisiert Eiter. Die militanten deutschen Rechtsextremisten würden daher genau wissen, warum sie über die Grenze nach Österreich ausweichen.

"Das Nichtstun der hiesigen Behörden ist umso unverständlicher, als für die Untersagung solcher Konzerte nicht einmal die antifaschistischen Rechtsnormen herangezogen werden müssen, sondern schon die Anwendung des Veranstaltungsrechtes genügen würde", erklärt der Experte.

Bei der oberösterreichischen Sicherheitsdirektion ist man sich des Problems durchaus bewusst. "Die deutschen Behörden haben es leider erfolgreich geschafft, ihre rechte Szene zu vertreiben und quasi nach Österreich abzuschieben", erklärt der Leiter des Landesamtes für Verfassungsrecht und Terrorismusbekämpfung (LVT), Michael Tischlinger. Es sei klar erkennbar, dass es vor allem die deutschen Nazis immer mehr in Richtung Österreich zieht.

Handlungsbedarf

Dringender Handlungsbedarf sei daher gegeben. "Wir sind gerade – in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden und den anderen Bundesländern in Österreich – dabei, ein entsprechendes Maßnahmenpaket zu schnüren", so Tischlinger.

Wichtig sei es vor allem, solche Treffen schon vorab zu verhindern beziehungsweise zu enttarnen. "Dies ist aber nur mit speziellen Informanten oder V-Männern möglich", erklärt Tischlinger einen ersten konkreten Schritt gegen künftige Nazitreffen.

Auf die Kritik des zu passiven Agierens, etwa bei dem Nazikonzert in Vorchdorf, kontert der Sicherheitsexperte: "Wenn sich eine Veranstaltung, an der sich zwischen 700 und 1000 Menschen beteiligen, plötzlich als Nazitreff herausstellt, ist es für uns beinahe unmöglich, rasch genug ein entsprechendes Polizeiaufgebot aufzustellen, um solche Konzerte zu beenden." Man wolle jegliche Eskalation vermeiden, sollte es aber schon vorher Hinweise auf Verstöße gegen das Verbotsgesetz geben, werde natürlich sofort dementsprechend eingeschritten. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 14.10.2003)