Peter Bäldle aus Paris

Wie fühlt man sich in Paris als berühmtester Österreicher nach Arnold Schwarzenegger? Helmut Lang lächelt: "Das ist okay", sagt er, "das geht in Ordnung." Sichtlich zufrieden steht er während der Eröffnungsparty seiner ersten Boutique in Paris, in der modebewussten Rue Saint-Honoré, zwischen Moderedakteurinnen und Einkäufern und Fashion-Fans. Er genießt die Komplimente über das Geschäft und die am Nachmittag davor gezeigte Kollektion für Frühjahr/Sommer 2004. Neben ihm steht die amerikanische Konzeptionskünstlerin Jenny Holzer, Langs Freundin.

Ein von ihr speziell für diesen Abend ausgewählter Text wird in dramatischem Blau über die Außenfront des Gebäudes projiziert. Nicht nur die Passanten staunen. Der Mann aus Wien gibt sein Entree als Gastgeber. Es ist kurz vor Mitternacht, ein langer Tag. Für die Mode ein Lang-Tag in Paris! Selten zuvor war seine Kollektion so ausgewogen, sportlich und feminin zugleich, effektvoll und doch selbstverständlich. Sie erschien "easy" und war doch raffinierter, als sie auf den ersten Blick aussehen mochte. Neu war für ihn das Farbspiel, wenn er Marineblau mit Schwarz und Aubergine mischte, Creme mit Weiß und Sand.

Dafür zog er Ruderleibchen über Pullunder und erzielte mit Strickkleidern Doppelrockwirkung. Lackierte Metallschließen gaben ebenso Effekt wie metallisch schimmernde Drapierungen in der Taille. Bei seinem Finale griff er die Idee auf, als er Lederjacken um die Hüfte knotete. In Silber, Rotgold, Metallicgrün und Royalblau standen sie zum Weiß, Beige, Grau und Aubergine der Jerseykleider in Kontrast. Lang spielte ein vertracktes Spiel mit dem Darunter/Darüber, zog sandfarbene Jerseyschläuche mit Aus-Schnitten an Schulter und Taille über glänzende Kleider, die grüntürkis, gelbgrün oder rotlila schillerten.

Propagierte Lang mit Nachdruck die Auflösung jeglicher Konstruktion, so war es ausgerechnet Hussein Chalayan, der Urheber der modischen Dekonstruktion, der sich nun um die Form bemühte. In den Mittelpunkt stellte er Latzhosenschnitte, aus denen er eine präzis konzipierte Sportswear mit Shorts, Halterneck-Tops und Bolerojacken entwickelte. Dagegen setzte er den Effekt von Chiffondrapierungen, die aus geschlitzten Oberteilen lugten. Schön waren Polokleider mit Puffärmelchen und kurvige Sommerkleider mit schulterfreiem Dekolleté, das breite Volants spektakulär umrahmten. Dass auf den standhaften Baumwollstoffen edle Ritter gegen Sarazenen ums Heilige Land kämpften, war erst auf den zweiten Blick erkennbar.

Ganz ohne politischen Unterton hingegen kam der junge Olivier Theyskens aus Lüttich aus, der zum zweiten Mal die Prêt-à-porter für das Couturehaus Rochas entwarf, dessen Glanzzeit in den 40ern lag und dessen Namen man heute höchstens als Parfum kennt. Auch er wählte standfeste eierschalenfarbenen Seidensatin, den er mit schwarzer Spitze überzog für akkurate, grafische Tailleurs und pompöse Abendkleider. Noch ist der Kampf zwischen Konstruktion und Dekonstruktion unentschieden.