Wien - Bevor die Architekten Marta Schreieck und Dieter Henke in Wien-Mitte an die Arbeit gehen, müssen sie noch ein anderes - architektonisch in der Vergangenheit heiß diskutiertes Projekt - seiner Bestimmung übergeben: Der Kaipalast am Donaukanal wird heute, Freitag eröffnet. In Wien-Simmering haben sie auch die - preisgekrönte - AHS-Heustadelgasse entworfen. Die beiden Architekten sind, neben Renommierbauten an den Universitäten Innsbruck und Krems, also ein weiteres mal stark präsent.

Henke & Schreiecks Wien-Mitte-Pläne sind als Sieger eines Wettbewerbs hervorgegangen. Der Turm, der am Rande eines u-förmigen Baus steht wird rund 60 Meter hoch, steht damit im Schatten des benachbarten Citytowers. Die Architekten sollen dafür sorgen, dass das Loch in Wien-Mitte schön und wirtschaftlich ertragreich gestaltet wird. Darüber herrscht bei manchen schon Euphorie.

Ähnlichkeit mit einem alten Entwurf

Rudolf Zabrana, SP-Bezirksvorsteherstellvertreter, ist begeistert und liefert den Treppenwitz der Geschichte: Das jetzt präsentierte Projekt habe auffallende Ähnlichkeit mit dem Entwurf, der bereits vor Jahren im ersten Städtebauwettbewerb von seinem Bezirk favorisiert - und damals verhindert - worden sei. Auf diese Art der Befriedigung habe man lange warten müssen, scherzt er. Was die Flächenwidmung anlangt, ist er sicher, die MA 21A werde ein verkürztes Verfahren schaffen, damit im September 2004 der Gemeinderat den Widmungsplan beschließen kann.

Sein VP-Pendant Georg Schüller will lieber heute als morgen mit der Projektvermarktung (es sind ein Hotel, Geschäfts- und Büroflächen geplant) beginnen. Der Bezirk wünsche, dass eine Polizeistation und ein Kindergarten im Projekt integriert würden, ein neues Viertel dort entstehe. Wichtig sei, dass die Markthalle während der etappenweise Realisierung erhalten bleibe. Die Marktstandln seien "Herz des Bezirks", wohin man arbeiten und einkaufen gehe, eine Neugestaltung solle auch in Abstimmung zu den rundherum ansässigen Geschäften passieren.

ÖBB warten ab

Die Wünsche, die mit Wien-Mitte neu verbunden werden, sind also jetzt, wenige Tage nach der Projektpräsentation bereits konkret und vielfältig. Nach dem Stopp jener Bauvariante, in der bis zu 97 Meter hohe Türme vorgesehen waren und die damit an den Welterbevorgaben und zu geringer Rentabilität scheiterte, ist auch Skepsis zu hören.

"Wir sind ironisch gelassen", lautet der Kommentar von ÖBB-Sprecher Gary Pippan zu den Entwürfen von Henke & Schreieck. Der Grund: "Wir sind in der Entwicklung für den Bahnhof um Jahre zurückgeworfen." Es sei ein fertiges, "mit allen akkordiertes Projekt am Tisch gelegen", dass zurückgezogen worden sei. Funktionalität und Ästhetik des neuen Projekts will Pippan nicht kommentieren, man sei zum städtebaulichen Wettbewerb nicht eingeladen gewesen. Man freue sich, dass es nun "politische Unterstützung von allen vier Parteien gebe". Aber: "Ohne Gespräche mit der ÖBB kann es keinen Bahnhof Wien-Mitte geben."

Investor bleibt dran

Gewohnt zurückhaltend gibt man sich auch seitens des Investors. Eine Sprecherin der Bauträger Austria Immobilien (B.A.I.), zur Bank-Austria-HVB-Gruppe gehörend, sagte: "Das Siegerprojekt ist ein städtebaulich interessanter Ansatz." Es werde sich zeigen, ob eine wirtschaftliche Umsetzung möglich sei. Laut Planungsdirektor Arnold Klotz muss dazu das Projekt noch überarbeitet werden. Es müssen Flächen für Vermietungen geschaffen werden. Der jetzige Projektentwurf sieht dafür vor, dass - auf einer knappen Grundfläche - der Bau nach oben breiter wird.

Einen weiteren Akzeptanztest für die Pläne gibt es am Wochenende. Unesco-Welterbechef Francesco Bandarin kommt nach Wien, um der Stadt endgültig die Welterbeurkunde zu verleihen. Dabei wird er auch das neue Projekt begutachten. Wiens Planungsdirektor Arnold Klotz ist optimistisch, dass alle Welterbevorgaben erfüllt sind.

Das Siegerprojekt und alle anderen eingereichten Pläne sind ab 10. Oktober in der Wiener Planungswerkstatt (hinter dem Rathaus) ausgestellt. (Andrea Waldbrunner, DER STANDARD Printausgabe 10.10.2003)