The Rapture
Echoes
(Universal)

Foto: Universal
In der Disco wird es härter: Der US-Band The Rapture gelingt mit ihrem Debüt "Echoes" ein neuer Höhepunkt in der seit ein, zwei Jahren verstärkt wieder belebten No-Wave-Ästhetik.


Der Bandname ist schlau gewählt: The Rapture verdeutlicht bereits klar die Absicht dieses aus San Diego stammenden und über San Francisco und Seattle nach New York gezogenen Quartetts. Rapture hieß ein Hit der New-Wave-Stars Blondie, die für diesen Titel heute als Säulenheilige der HipHop-Kultur verehrt werden.

Blondie mit ihrer Sängerin Debbie Harry gelten als die ersten Weißen, die mit der in diesem Song enthaltenen Würdigung für "spinnin' DJs" wie dem HipHop-Pionier Grandmaster Flash, einem Millionenpublikum zu verstehen gaben, dass im New Yorker Underground ein Süppchen kochte, das bald übergehen sollte: "Flash is fast, Flash is cool", rappte Harry, und die Erfolgsgeschichte von HipHop sollte ihr Recht geben.

Doch die Mission von The Rapture gilt nicht HipHop. Vielmehr steht dieser Name als Synonym für die Zeit von Blondies Rapture. Einer der musikalisch aufregendsten, die New York erlebt hat. Auch der Albumtitel spricht Klartext: Echoes ist ein Nachhall ebendieser Vergangenheit.


Ende der 70er-Jahre herrschte im Big Apple ein reges Kommen und Gehen von Stilen, die zu einer Reihe von kurzen, dafür umso nachhaltigeren musikalischen Eruptionen führten. Jedes Crossover schien damals möglich - oder wurde zumindest versucht. Der "Melting Pot" in "Reinkultur":

Disco verabschiedete sich in einen lebendigen Underground, um bald als House wiederzukehren. Glenn Branca schrieb Symphonien für Gitarren-Orchester. Punk besaß den Geschmack von warmem Bier und wurde längst mit der Vorsilbe "Post" versehen. Im daraus resultierenden und harmonischeren New Wave führten die Talking Heads vor, wie funky Minimalismus klingen kann. John Lurie gab mit seinen Lounge Lizards dem Jazz - zumindest optisch - eine Coolness zurück, die er für viele bis heute nicht mehr erreicht hat. James White blies mit seiner Band Contortions den verbliebenen Punks seinen hysterischen "Punk-Jazz" ins Gesicht. Yoko Ono kickste Walking On Thin Ice. Bill Laswell entdeckte seine Liebe zum Dub, während bis heute einflussreiche Bands wie ESG und Liquid Liquid mit geringsten Mitteln schweißtreibenden Funk produzierten.

Damit schufen die beiden Letztgenannten auf dem mythisch verklärten Label 99 Records Werke, aus dem HipHop bis heute ausgiebig sampelt.


No Wave nannte man diesen mannigfaltigen Output, und seit ein, zwei Jahren entdecken junge Bands diese kurze Ära für sich wieder. Formationen wie Liars, Radio 4, Interpol und eben auch The Rapture ziehen aus dieser Zeit ihre Inspiration. Gleichzeitig schießen einschlägige Kompilationen aus dem Boden, während die meist raren Originale längst Sammlerpreise erzielen.

The Rapture bedienen sich für ihr spätes Debütalbum bei weißem Funk aus dem No-Wave-Pott. Zu den an Gang of Four erinnernden harten Gitarren stellen die Mittzwanziger schwachbrüstige House-Beats, während James White mittels bronchitisch geblasenen Saxofons Reverenz erwiesen wird. Dazwischen krächzt Luke Jenner. Seine Stimme erinnert einerseits an John Lydon, der mit seiner Band Public Image Limited mit ähnlichen Zutaten verwandte Ergebnisse erzielte. Death Disco, ein programmatischer Song des früheren Sex-Pistols-Sängers, muss hier stellvertretend genannt werden.

Andererseits - und jetzt heißt es stark sein - erinnert Jenners Gesang an Robert Smith, das manisch leidende Kosmetik-Mannequin der Gruftie-Popper The Cure. Wie gut das trotzdem funktioniert, beweisen Songs wie die Singleauskoppelung House Of Jealous Lovers oder I Need Your Love.


Die Botschaft dieser Musik? Tanz die Gitarre! The Rapture arbeiten als traditionelle Band mit elektronischer Krücke. Damit erinnern sie daran, dass vor gar nicht allzu langer Zeit zu Musik getanzt wurde, die nicht nur aus Programmen stammte - ohne sich dieser Tatsache zu verweigern. In dieser Disziplin sind sie heute neben den sich nach einem PIL-Song nennenden Radio 4 die erste Wahl.

Wenn demnächst am Dancefloor also wieder Luftgitarre gespielt wird - nicht erschrecken! Das passt schon so. Am Ende des Albums verlässt man sogar das angestammte Terrain. Auch wenn No Wave dafür nicht gerade berühmt war, die finale Ballade Infatuation gereicht dem Genre in seiner Verlorenheit dennoch zur Ehre. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2003)