Niedrige Inflationsrate positiv
Als Gründe für die geringfügig verbesserte Konjunkturschätzung nannte Christl einen Anstieg des allgemeinen Vertrauens in die Wirtschaft, gestützt auf jüngste Wirtschaftsdaten aus den USA und die Entwicklungen an den Finanzmärkten. Die historisch niedrigen Zinsen und die niedrige Inflationsrate (0,9 Prozent im August) seien weitere positive Faktoren. Christl, der zuvor als Volkswirt im Kabinett von Finanzminister Karl-Heinz Grasser tätig war und mit 1. September in die Nationalbank übersiedelt ist, wies auch auf die Konjunkturpakete der österreichischen Bundesregierung hin.
Sinn und Möglichkeit einer Verlängerung der konjunkturstützenden Maßnahmen (Wirtschaftskreise gehen bereits fix von einem "Konjunkturpaket III" ab Anfang 2004 aus) wollte Christl nicht kommentieren, das sei Sache der Wirtschaftspolitik. Er verwies jedoch auf Berechnungen des Wifo, das ein reales BIP-Wachstum von 0,7 Prozent im heurigen Jahr den bisherigen Konjunkturpaketen zuschreibt. Bei einem ersatzlosen Auslaufen des Konjunkturpakets II Ende 2003 würden jedoch heuer belebende Vorzieheffekte bei Investitionen 2004 wegfallen, gab Christl zu bedenken.
Gegen Vorziehen der Steuerreform
Für 2004 geht die OeNB weiterhin von 1,6 Prozent BIP-Zuwachs aus. Diese Berechnung der OeNB stammt noch vom Juni, eine Prognoserevision für 2004 stellte Christl heute erst für Dezember in Aussicht. Für 2005 wollte sich der Ökonom auf keine Konjunktureinschätzung einlassen. "Das ist eine lange Zeit für Prognosen", sagte Christl.
Hinsichtlich politischer Forderungen zu einem Vorziehen der vom Finanzminister für 2005 geplanten "großen Steuerreform" auf 2004 sprach sich Christl heute dagegen aus. Die OeNB habe sich heuer bereits gegen ein Vorziehen der Steuerreform ausgesprochen. "Dem würde ich mich anschließen", so Christl. Eine EU-weite Infrastrukturoffensive wäre dagegen "eine vernünftige Investition", die "strukturell in die richtige Richtung" ginge. Die Investitionen in Höhe von rund 100 Mrd. Euro bzw. rund ein Prozent des EU-weiten BIP, verteilt auf 10 Jahre, sollten aber nicht über höhere Budgetausgaben, sondern aus budgetären Einsparungen finanziert werden.
Eurozone abgehängt
Im internationalen Vergleich sei Österreichs Wirtschaft in den letzten zwei Jahren um 0,5 Prozentpunkte schneller gewachsen als in der Eurozone und um rund einen Prozentpunkt stärker als in Deutschland. Frankreich hinke trotz steigender Budgetdefizite beim Wachstum zurück, plädierte Christl für eine Weiterführung des österreichischen Stabilitätskurses.
Als Risikofaktoren für eine Beschleunigung des Konjunkturaufschwungs nannte Christl das "twin deficit" der USA bei Leistungsbilanz und Budget sowie die Wechselkursentwicklung des Euro zu Dollar und Yen. 10 Prozent Euro-Aufwertung zum Dollar koste im Euro-Raum knapp 1 Prozent reales Wirtschaftswachstum. Seit Mitte 2002 habe der Euro real um 5 Prozent aufgewertet. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die "Immobilienblase" in den USA. Wenn diese, ausgedrückt durch ein spekulativ deutlich überhöhtes Preisniveau für Immobilien, platze, hätte dies negative Auswirkungen auf Konsum und Investitionen in den USA und würde in der Folge auch das zarte europäische Konjunkturpflänzchen beeinträchtigen.