Wien - Mit der Drohung des Bahnvorstands, jene Eisenbahner zu klagen, die sich weigern, Überstunden zu machen, versucht ÖBB-General Rüdiger vorm Walde offensichtlich Stärke zu zeigen. Denn dass eine Weigerung, Überstunden zu machen, zu Schadenersatzforderungen oder anderen Konsequenzen berechtigt, ist gesetzlich keineswegs klar geregelt.

"Es ist zu prüfen, welche Verpflichtungen jeden einzelnen Bahnbediensteten tatsächlich treffen", sagt der Linzer Arbeits- und Sozialrecht 2. Spalte ler Peter Jabornegg. Laut Arbeitszeitgesetz sind Überstunden immer freiwillig, und kein Arbeitnehmer ist verpflichtet, welche zu leisten. "Das Arbeitszeitgesetz gilt für ÖBB-Bedienstete aber nicht."

Verpflichtung bei "außergewöhnliche Ereignissen"

Allerdings: Laut den in den ÖBB-Einzelverträgen enthaltenen Überstunden-Richtlinien besteht diese Verpflichtung. "Jedoch mit Einschränkungen", sagt Norbert Bacher, Generalsekretär der Eisenbahnergewerkschaft. Und solche seien "außergewöhnliche Ereignisse" und "vorübergehende Spitzen" mit erhöhtem Bedarf im Güterverkehr. Nicht außer Kraft gesetzt werden bei Bedarf übrigens die vorgeschriebenen Ruhezeiten.

Insgesamt sehen die Eisenbahner die vom Vorstand angedrohten Disziplinarverfahren im Fall eines Boykotts gelassen. Denn laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Linz würden Disziplinierungsversuche selbst dann ins Leere laufen, wenn ein Lokführer im Fall von Übermüdung seinen Dienst nicht anträte, sagt Bacher. Bleibt noch die Berufung auf individuelle Gründe, um die Überstundenverweigerung zu begründen. Diese könne vom Unternehmen nicht übergangen werden.

"Mehr als eine nüchterne Analyse der ökonomischen Zwänge" vermutet Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm hinter dem ÖBB-Reformkurs der Regierung: "In zumindest erheblichem Ausmaß geht es gegen die Gewerkschaft." Dahinter vermutet er "eine bewusste Konfliktkonzeption" durch die Regierung.

Die vorgeschlagene Gliederung in eine Holding mit fünf Tochter-Aktiengesellschaften hält Muhm für nicht zielführend, denn AGs könnten weit gehend autonom agieren. Er würde ein ÖIAG-Modell präferieren. Oder eine Holding mit GesmbH, auf die man via Weisung durchgreifen könne. Ansonsten sollten die Teilgesellschaften "an der langen Leine" bleiben, glaubt der AK- Experte.(Luise Ungerboeck, DER STANDARD Printausgabe, 9.10.2003)