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Für 15. Oktober ist die Präsidentenwahl in Aserbaidschan festgesetzt (im Bild Teilansicht der Hauptstadt Baku). OSZE und Europarat sind im Vorfeld über undemokratische Entwicklungen in der Republik besorgt.

Foto: REUTERS/Shamil Zhumatov
Baku – Am Neftcilar-Prospekt, der Seepromenade der Stadt, ist Europa zu Ende. Abends um sieben bleibt die Sonne tief im Westen jenseits der Bucht von Baku in einem gelben Dunst stecken, während vom anderen Ufer des Kaspischen Meeres die Nacht des Orients heraufzieht. Bei wolkenlosem Himmel dauert das Schauspiel fast eine Stunde. Die Hauptstädter lehnen dann an der Kaimauer und schauen auf ihre Bohrtürme hinaus.

"Europa von Brest bis Baku!", begeisterte sich Hervé de Charrette, ein französischer Außenminister, Mitte der 90er-Jahre, als er nach Aserbaidschan fuhr, um für den heimischen Ölkonzern Lizenzen zu ergattern. "Die Dinge hier wären leichter, wenn es nicht so viel Öl gäbe", kokettiert heute Araz Azimov, Aserbaidschans so ungewöhnlicher Vizeaußenminister mit dem starken amerikanischen Akzent. Denn über dem Präsidentschaftswahlkampf liegt wie über allen Regionalkonflikten des Kaukasus der lange Schatten der Großmächte.

Zwei Achsen

Seit dem "Jahrhundertvertrag" von 1994, als Haidar Aliev, der scheidende Staatschef, das Kaspische Meer internationalen Ölkonzernen unter Führung von British Petrol öffnete, steht Aserbaidschan im Lager des Westens. Baku hat seither seinen Platz auf einer der zwei Achsen, die den Kaukasus teilen: USA, Georgien, Aserbaidschan, Türkei gegen Russland, Armenien, Iran. Die Antiterrorfeldzug der USA und der Irakkrieg haben diese Teilung noch verstärkt. Aserbaidschan, Mitglied des "Partnership for Peace"-Abkommens mit der Nato, erhält Ausrüstung von der US- Navy und beteiligt sich auch mit einem kleinen Kontingent im Irak.

Großbritannien ist der größte wirtschaftliche, die USA der größte strategische und Russland ein großer unangenehmer Partner, lautet die Einteilung der Welt in Baku. Haidar Alievs Sohn Ilham,

der Premierminister, der seinen Vater bei den Präsidentschaftswahlen am 15. 10. beerben will, hat allerdings erklärtermaßen die Unterstützung Washingtons wie Moskaus.

Denn die Aliev-Dynastie gilt als Garant für ein stabiles Geschäftsklima und scheut wohl weit mehr vor dem großen außenpolitischen Abenteuer zurück als einige der Oppositionskandidaten – vor einem neuen Krieg mit Armenien. Dennoch schlägt auch die Aliev-Regierung nun harte Töne an aus Furcht, die halbe Million Wähler unter den Flüchtlingen des Karabach- Konflikts könnte ganz für die Opposition stimmen. Die Geduld sei begrenzt, sagt Araz Azimov, der seit nicht weniger als neun Jahren den Posten des Vizeaußenministers be 3. Spalte kleidet. "80 Prozent von Aserbaidschan werden heute entwickelt, der Rest ist seit zehn Jahren vom Feind besetzt. Der wirtschaftliche Aufschwung in den 80 Prozent wird die fehlenden 20 Prozent des Gebiets zurückbringen, sei es militärisch oder politisch."

Moskau müsse seine Politik im Südkaukasus ändern, heißt es, und Baku würde gern gute nachbarliche Beziehungen zu Russland entwickeln. "Partner auf Tankern, nicht Panzern", nennt das Azimov, der mit Formeln schnell zur Hand ist – "being friends on tankers not tanks". Russland, das Militärbasen in Armenien unterhält, kontrolliere auch die Grenzen Armeniens zum Iran, eine "no go area", durch die Menschen, Drogen und Waffen verschoben würden.

Eingeklemmt zwischen Armenien im Süden, Tschetschenien im Norden und dem Iran im Südosten, profitiert Baku gleichwohl von der "Sicherheitsrendite" seines Öls: Noch halten die gemeinsamen Interessen von Lukoil und BP das Land im Windschatten der Sezessionskonflikte des Kaukasus. (Markus Bernath/DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2003)