Moskau/Paris/Genf - Internationale Tageszeitungen haben sich am Dienstag mit der Wahl des neuen tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow beschäftigt.

Das russische Wirtschaftsblatt "Wedomosti" (Moskau):

"Offenbar hatte Moskau keine andere Wahl, als Kadyrow mit aller Kraft zu helfen, den legalen Status des neuen Präsidenten von Tschetschenien zu erreichen. Denn außer ihm hat der Kreml keine andere Stütze in der Republik. Die Kadyrow ergebenen Männer kontrollieren bestenfalls das Flachland (Tschetscheniens), auch wenn sich ihre Macht nur auf russische Bajonette stützt. Es sieht so aus, als ob sich Kadyrow und der Kreml schon vor langer Zeit gegenseitig als Geiseln genommen haben. Und jetzt verhandeln sie über das Lösegeld - die Bedingungen für ein Wirtschaftsabkommen zwischen Tschetschenien und der Zentrale in Moskau."

"Neue Zürcher Zeitung" (Zürich):

"Es bleibt ein tiefes Rätsel, weshalb Putin sich die Chance entgehen ließ, in Tschetschenien eine faire und freie Wahl zuzulassen. Er hätte damit nach innen und außen den ernsthaften Willen zu einem politischen Neuanfang demonstrieren können. Selbst wenn (Achmat) Kadyrow in einem halbwegs offenen Rennen die Wahl gewonnen hätte, so wäre es seinen zahlreichen Feinden ungleich schwerer gefallen, ihm die Legitimität für seine neue Funktion abzusprechen. Nach dem farcenhaften Wahlgang vom Wochenende aber scheint ein Arrangement mit den gemäßigteren Strömungen unter den tschetschenischen Separatisten so weit entfernt wie zuvor."

"El Pais" (Madrid):

"Die Wahl in Tschetschenien soll zu einer Normalisierung führen. Aber sie hat einen Haken. Russlands Präsident Wladimir Putin versteht unter Normalisierung die totale Unterwerfung Tschetscheniens. Für ihn geht es um den Kampf gegen den "internationalen Terrorismus". Dass die tschetschenische Bevölkerung gnadenlos unterdrückt wurde, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Die Staaten der Europäischen Union schauen lieber weg. Fortschritt und Stabilität in Russland sind für den Weltfrieden von grundlegender Bedeutung. Die Befriedung Tschetscheniens ist ein Teil dieses Prozesses. Mit einer Wahlfarce und mit Typen wie Achmat Kadyrow wird man jedoch weder das eine noch das andere erreichen."

"The Independent" (London):

"Der hohle Sieg von Achmat Kadyrow löst das Problem in Tschetschenien nicht. Der Westen, das heißt die Vereinigten Staaten und die Europäische Union, sollte seinen Bedenken kollektiv und offen aussprechen. Der Grund, warum das aber nicht passieren wird, ist Wladimir Putin. Der russische Präsident hat es bisher großartig verstanden, westliche Eitelkeiten und Differenzen meisterhaft auszunutzen. Als Gegenleistung für ein russisches Stillhalten in Afghanistan haben US-Präsident George W. Bush und der britische Premierminister Tony Blair zugesagt, in Tschetschenien wegzuschauen. Das hat Putin allerdings nicht daran gehindert, sich im Irak-Konflikt auf die Seite von Frankreich und Deutschland zu stellen. Er ist mit diesem Stück brillanter Diplomatie, vermutlich aus Gründen der geo-politischen Bedeutung Russlands, davongekommen."

Die katholische französische Tageszeitung "La Croix" (Paris):

"Mit Achmat Kadyrow als Präsident in Tschetschenien wurde ein Mann gewählt, der vor knapp zehn Jahren seine Freunde zu einem "heiligen Krieg" gegen die Russen aufrief. Moskau hat diesen Mann "gewendet" und ihn auf dem Thron eines Verwalters des Territoriums gesetzt. Dort hat er sich ein kleines Reich der Korruption und der Menschenrechtsverletzungen geschaffen. Diesen Mann hat Wladimir Putin zum Präsidenten dieses Gebiets wählen lassen. Man kann nur staunen. Über die russische Macht, die die (gefälschte) Wahl dieses Mannes als Fortschritt bezeichnet, und über die Unverfrorenheit dieses "Führers", dessen Methoden viele Diktatoren unseres Planeten als respektable Herren und zartbesaitete Humanisten erscheinen lassen." (APA/dpa)