Kürzlich beim Arzt zur Blutabnahme gewesen? Achtung, das kann bald ungeheure Folgen haben. Denn ginge es nach dem Willen bestimmter Interessengruppen, könnten Ärzte künftig nach einer routinemäßigen Blutabnahme Zellen oder Gene des Patienten zum Patent anmelden, ohne Sie als Betroffenen auch nur davon zu informieren.

Patente auf menschliche Gene, Körperteile, Blut und Organe - droht die Anpassung an diese "schöne neue Welt" bald auch in Österreich? Faktum ist: Per EU-Patent-Richtlinie werden Gene einfach als "biologisches Material" definiert und schließlich von Gen-Konzernen kommerziell verwertet. Dass es sich bei diesem ungenierten Griff nach unseren Lebensgrundlagen um den größten Raubzug in der Geschichte der Menschheit handelt, wird geschickt hinter einer komplizierten Rechtssprache verborgen. Dabei sind wesentliche Bestimmungen so unscharf formuliert, dass menschliche Embryonen ebenso patentiert werden können wie die Klonierungsverfahren für Tiere - eine Vorstufe zum Klonen von Menschen.

Möglich macht dies die so genannte EU-Biopatent-Richtlinie 98/44/EC, die 1998 beschlossen wurde und einzelnen Konzernen das exklusive Nutzungsrecht für das von ihnen "erfundene" biologische Material einräumt. In acht der 15 Mitgliedstaaten der EU wurde die Richtlinie jedoch - nach heftigem Widerstand aus gutem Grund - bis heute nicht umgesetzt. So auch in Österreich. Bisher. Denn nun kommt wieder Bewegung in die Sache. Die EU-Kommission hat die acht säumigen Staaten vor dem EuGH, dem Europäischen Gerichtshof, geklagt. Begründung: Die Richtlinie würde ja ohnehin klare, präzise Bestimmungen zum Schutz und der Integrität des Menschen enthalten.

In Wahrheit gibt es jedoch zahllose Schlupflöcher in dieser Richtlinie, die Patente auf so ziemlich alles ermöglichen. Angefangen vom "biologischen Material" über "Bestandteile des menschlichen Körpers" und "Embryonen zu Forschungszwecken", bis hin zu Tieren und Pflanzen - nichts ist sicher vor dem Patentierungswahn. Gene - das haben auch die Konzerne erkannt - sind die Währung der Zukunft. Es herrscht Goldgräberstimmung, "Claims" auf möglichst viele und umfangreiche Gensequenzen werden angemeldet - auch vor Patenten auf menschliche Gene wird dabei nicht Halt gemacht.

Der Amerikaner John Moore kann ein Lied davon singen. Sein Arzt verdiente ohne Moores Einwilligung mit dessen Milzzellen-Patent ein Vermögen. Aber auch Patente auf Nabelschnurblut oder Blutzellen der Guami-Indianer sind längst an der Tagesordnung.

Bei Pflanzen erstreckt sich ein Patent meist auf mehrere Generationen und auf die gesamte Produktionskette: vom Saatgut bis zum Keks im Supermarkt.

Ein alarmierendes Beispiel dafür versteckt sich hinter dem schlichten Titel "Pflanzen" des Patents EP 445 929 des US-Konzern Monsanto. Dabei handelt es sich um einen klassischen Fall von "Bio-Piraterie". Denn das Patent umfasst Weizen mit einer ganz besonderen Backqualität, deren Ursache in einer natürlich vorkommenden Kombination der Gene liegt.

Gezüchtet wurde der Nap-Hal-Weizen ursprünglich von indischen Bauern. Dank Patent verfügt Monsanto nun über den Weizen, das daraus gewonnene Mehl, den Teig aus diesem Mehl oder die Kekse. Ganz legal kann der Monsanto-Konzern ordentlich Lizenzgebühren für die züchterische Leistung der indischen Bauern kassieren.

Trotz massiver Kritik von Ärztekammer, Umwelt- und Behindertenverbänden, Bischofskonferenz etc. will die amtierende Regierung nun nach einer parlamentarischen Enquete die umstrittene Richtlinie in österreichisches Recht umsetzen. Vor allem die ÖVP macht sich stark für eine Richtlinie, die ganz offen Patente auf Leben erlaubt.

Sie erklärt die menschlichen Gene zum geistigen Eigentum von Firmen, schränkt den Zugang zu genetischen Ressourcen ein und blockiert damit auch die Entwicklung von neuen Therapien.

Leben wird einfach einer technischen Erfindung wie etwa dem Zweitaktmotor gleichgestellt. Doch unsere Gene und damit Lebensgrundlagen sollten allen Menschen gehören und nicht zum Exklusiv-Eigentum einzelner Firmen werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7. 10. 2003)