Washington - Für viele österreichische Wissenschafter, die derzeit in den USA arbeiten, ist eine Rückkehr in ihre Heimat unter den derzeitigen Rahmenbedingungen undenkbar. "Wenn ich akademisches Heimweh verspüren würde, müsste ich an meinem geistigen Gesundheitszustand zweifeln", sagte beispielsweise Viktor Mayer-Schönberger, Professor an der John F. Kennedy School of Government der Harvard University in Boston bei einer vom Österreichischen Büro für Wissenschaft und Technologie (OST) in Washington organisierten Pressereise, die im Rahmen der Kampagne Innovatives österreich des Rats für Forschung und Technologieentwicklung veranstaltet wurde.

OST-Chef und Österreichs Wissenschaftsattache in Washington Philipp Steger schätzt, dass rund 1.500 Österreicher in Nordamerika wissenschaftlich tätig sind. In einem von OST initiierten Netzwerk (Austrian Scientists and Scholars in North America; ASciNA) sind mittlerweile mehr als 500 Personen erfasst. An jene davon, die in ihre Heimat zurückkehren wollen, richtet sich das von Infrastrukturminister Hubert Gorbach (F) in Alpbach angekündigte Projekt "brain power austria". Es soll Rückkehrwilligen den Weg ebnen.

Österreich wenig attraktiv

Doch vielen Forschern scheint nicht der Weg zurück zu mühsam, sondern das Ziel zu wenig attraktiv. "Es wäre durchaus interessant, in Österreich zu arbeiten, aber es gibt so viele Hürden", erklärt etwa der aus der Alpenrepublik stammende Krebsforscher Christoph Lengauer, der seit Jahren an der renommierten School of Medicine der John Hopkins University in Baltimore arbeitet und gemeinsam mit Medizin-Nobelpreis-Kandidat Bert Vogelstein ein Labor leitet. Die Rahmenbedingungen in den USA seien weit besser als in Österreich, etwa beim Gehaltsschema oder bei der Freiheit, seine Forschungsthemen zu wählen. "Wir haben hier Privilegien, wir müssen keine Lehre machen, in keinen Komitees oder Fakultätsgremien sitzen."

Es gebe in Österreich durchaus viele Leute mit "Good-Will", aber es scheitere oft an bürokratischen Schritten, an der "normativen Kraft des Faktischen". So habe er sich beispielsweise um die Leitung des geplanten Forschungszentrums für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beworben. Doch das Bewerbungs-Interview sei ein "Desaster" gewesen, die meisten Fragen hätten sich darum gedreht, wie er mit Misserfolg umgehe. "Darauf war ich nicht vorbereitet, weil das nicht meine Prämisse ist. Ich habe mit dieser Haltung ein Problem, dem Besorgtsein, dass es eh nichts wird", so Lengauer, der auch beklagt, dass er seit dem Interview im Jänner dieses Jahres nichts mehr von der Akademie gehört hat.

"Ausgeschlossen"

In die gleiche Kerbe schlägt Biochemiker Walter Stockinger, seit 2001 als Post-Doc an der Harvard University in Boston beschäftigt. Die Option einer Assistenten-Stelle in Österreich hält er für "ausgeschlossen". Mit 35 Jahren würde er 1.700 Euro im Monat verdienen, könnte nicht unabhängig forschen und müsste außerdem noch lehren. Rahmenbedingungen wie in den USA würden in Österreich nur zwei Institute bieten: das Institut für für Molekulare Pathologie (IMP) und das in Aufbau befindliche Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA).

Auch der Rheumaspezialist Hans Kiener von der Harvard University hält die Bedingungen in Österreich, als Assistenz- oder Oberarzt Forschung zu betreiben, für schlecht. "Am Wiener AKH musste man auf Grund der klinischen Verpflichtungen am Abend oder am Wochenende forschen." Er habe deshalb die Entscheidung getroffen, fix in den USA zu bleiben, "weil ich weiß, was mich in Österreich erwarten würde. Und eine Station zu leiten ist unvereinbar mit wissenschaftlicher Tätigkeit."

Karriere-Ende mit 30

Der Internist Wolfgang Winkelmayer erinnerte sich an die Zeit, als er mit 30 Oberarzt am Wiener Kaiser-Franz-Joseph-Spital wurde und damit "praktisch am Ende seiner Karriere stand". Aus diesem Grund sei er nach Harvard gewechselt. Nach Österreich würde er gerne zurückgehen, doch die Rahmenbedingungen in den USA seien sehr attraktiv, "hier bin ich mein eigener Herr". Nach Ansicht Winkelmayers werde aber vielfach zu sehr Schwarz-Weiß gezeichnet: Zwischen Dableiben und Zurückgehen gebe es aber auch noch andere Möglichkeiten, etwa hauptamtlich in den USA tätig zu sein, und sein Know-how und seine Ressourcen dennoch Österreich zur Verfügung zu stellen.

"Verlockungen, wieder für sein eigenes Team zu spielen" verspürt auch der Biochemiker und Mathematiker Martin Nowak. Es dürfte allerdings nur eine theoretische Verlockung sein, denn er hat in den vergangenen Jahren an den weltweit renommiertesten Wissenschaftseinrichtungen gearbeitet: der Oxford University, dem Institute of Advanced Studies der Princeton University und baut nun in Harvard ein eigenes Zentrum für mathematische Biologie auf. "In Österreich sollte man lieber ein starkes Post-Doc-Programm aufbauen, statt sich damit beschäftigen, Leute nach Wien zurückzubringen, so stark, dass sich Studenten aus aller Welt darum bemühen, nach Wien zu kommen", sagte Nowak.

Wissenschaft findet zu wenig Beachtung

Prinzipiell könnte er das Gleiche, das er in Harvard mache, auch in Wien machen. Der Vorteil der USA sei, dass man ganz leicht die interessantesten Leute treffen könne, was in der Donaumetropole viel schwieriger wäre, und dass hier die besten und voll motivierten Studenten seien. Problematisch sei auch, dass Wissenschaft in Österreich politisch nicht im Mittelpunkt stehe wie in den USA. Und dass international anerkannte Spitzeninstitute wie das Erwin-Schrödinger-Institut finanziell ausgetrocknet würden. "Auch der Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) muss unbedingt erhalten bleiben, dessen Auflösung wäre eine Katastrophe", betonte Nowak.

Das Erfolgsgeheimnis für Österreich wäre nach Ansicht Nowaks, sich auf wenige Gebiete zu beschränken und dies sehr stark zu unterstützen. Es gebe in Österreich hervorragende Leute. "Das leichteste wäre, wenn Spitzenleute wie IMP-Chef Kim Nasmyth oder der Experimentalphysiker Anton Zeilinger unbeschränkt Mittel zur Verfügung hätten", so Nowak. (APA)