Ist Österreich in Europa wirklich wieder obenauf, ein wichtiger "Mitspieler"? Glaubt man Kanzler Wolfgang Schüssel, bestünde kein Zweifel: Wien hätte sich beim Thema EU-Verfassung sogar zum "Wortführer" von nicht weniger als 19 Staaten aufgeschwungen, und diese wären entgegen den übrigen sechs "Großen" einig: Jedes Land müsse unter anderem für alle Zukunft einen eigenen Kommissar nach Brüssel schicken können.

Bei all dem wortreichen Pathos ist Skepsis angebracht. Wenn es hart auf hart geht, brauchen selbstbewusste Partner wie Polen, die Niederlande, Tschechien oder Portugal selten jemanden, der ihnen das Wort führt. Auf der anderen Seite hat die Bundesregierung bei ihren groß angekündigten Initiativen in Brüssel selten gehalten, was sie versprach; siehe Transitvertrag.

Bereits im April hatte der von Schüssel in den EU-Konvent entsandte Johannes Farnleitner schon einmal verkündet, er habe diese 19 Länder für den Erhalt des eigenen Kommissars mobilisiert. Geblieben ist davon beim Vorschlag des Konvents nichts. Und auch die jüngste Idee, jedes Land sollte einen eigenen Kommissar, aber nicht jeder Kommissar ein eigenes "Ministerium" in Brüssel erhalten, ist nicht neu: Das wurde bereits beim gescheiterten EU-Gipfel in Nizza erwogen.

All den Vorschlägen ist eines gemeinsam: Es geht um den Erhalt nationaler Interessen in einer Zeit, in der die erweiterte Union eine neue Machtbalance erhalten muss. Das Problem dabei: Weder die EU-Kommission noch das Parlament in Straßburg würde wesentlich gestärkt. Genau dafür sollte man aber kämpfen. Große Staaten tun sich prinzipiell leichter, es sich politisch "zu richten". Aber nur effiziente EU-Institutionen schützen die Kleinen und öffnen gleichzeitig den Weg zu einer global starken Union. Der Kampf Groß gegen Klein lenkt davon ab, ist kleinlich. Die Hauptgefahr bleibt: eine gelähmte Union, wenn sie einmal auf mehr als 30 Mitgliedsländer anwächst. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2003)