Geschenkt ist noch zu teuer für den vielen Gitarrenrock auf Nickelbacks weiter Erde. So sehen das zumindest die Chicks on Speed und ihre Single "We don’t play guitars" handelt davon: "Gitarrengewichse", wie es COS in Interviews ausdrücken, ist überrepräsentiert und nervt in seinem Authentizitätsanspruch. Deshalb gibt die BeHerrschung eines Instruments auch nichts her, möchte man meinen.

Doch nur weil die testosterongeleitete Hingabe zum Saiteninstrument passé ist, muss das nicht für alles und jeden gelten, vor allem nicht für Frauen: Peaches bricht mit ihrem Wortbeitrag "You may not play guitar, but I do" das kollektive Gitarristen-Bashing und treibt den scheinbaren Anachronismus mit anschließendem Headbanging auf die Spitze. Keine Festschreibungen, keine Regeln, keine Authentizität.

Nach ebendiesem Credo agieren die drei Wahlberlinerinnen seit mittlerweile sechs Jahren in allen möglichen Bereichen von Kunst und Musik. Das anklagende Electro-Punk-Stück "Fashion rules" relativiert sich durch das COS-Modelabel, dem Bekenntnis zur eigenen (weiblichen) Stimme steht ein rein männliches Produzenten-Team gegenüber. Der Bruch formuliert sich in ihrer Arbeit unmittelbar nach dem Postulat, wird mitgedacht und wieder reflektiert. So viel Theorie, Feminismus und Kunst hält die Popwelt also aus. Und noch mehr: Das COS-Universum hat eine Plattform für Musikerinnen geschaffen, die Künstlerinnen wie Kevin Blechdom, Le Tigre, Dat Politics und Angie Reed vereint.

Bekenntnis zur "Cheap-Art"

Auf "99 Cents" erlauben sich Chicks on Speed einen Exkurs in Sachen Kapitalismus: Popmusik als Produkt soll möglichst billig in den Läden stehen, und dem Sell-Out Marke Eigenbau steht nichts im Weg. Der diesmalige Verzicht auf Coverversionen (bis auf eine Ausnahme) eröffnet den Blick auf anklagende bis ironische Texte dreier Grenzgängerinnen, in denen Konsum- und Sexismuskritik sowie kosmopolitische Lebensentwürfe die Eckpfeiler sind. Die einzige Coverversion auf dem Album, TomTom-Clubs "Wordy Rapping Hood", bestreiten COS gemeinsam mit Texterin Tina Weymouth und den Musikerinnen Kevin Blechdom, Le Tigre, Inga Humpe, Miss Kittin, Acid Maria und Soffy O. Selten so ein stimmiges Stück herstory gehört... grandios.

Musikalisch haben sich vor allem die beiden Produzenten-Teams Neumann/Mynther und Potuznik/Bauer ins Zeug gelegt. Die 11 Tracks verbreiten vornehmlich tanzbaren, catchy Electro-Pop, dekoriert mit gezähmten Knarzern und chartsverdächtigen R’n’B-Gitarren. Alles in allem jedenfalls eine sehr verführerische Mischung für Beine, Kopf und den Teil dazwischen. (freu)