Für 15. Oktober wird eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung angesetzt. Dort will der Vorstand seine Kritik verdeutlichen.
Finanzierungspolitik zu Lasten der ÖBB
Wörtlich heißt es in dem Schreiben des Vorstand: "Die Finanzierungspolitik ist nur mittelfirstig und zu Lasten der ÖBB geregelt." Und: "Die Ausformulierung der Aufgaben der PMG (Personalmanagementgesellschaft, Anm.) im Gesetzestext führen zu einem außerordentlich komplexen und kaum beherrschbaren Gebilde, dass sich in der Praxis so nicht umsetzen lässt."
Heftige Kritik übt der Vorstand auch an der in letzter Minute eingeplanten Zweiteilung der ÖBB-Infrastruktur. "Die Prioritätensetzung von Betrieb und Bau entsprechen nicht den Kernprozessen eines Eisenbahnunternehmens. Eine Gründung von zwei getrennten Unternehmen würde nach erster Prüfung zu Problemen im Vergaberecht führen", meint die Unternehmensführung.
Außerdem kritisiert der Vorstand, dass "der Unternehmensgegenstand für die abzuwickelnde Geschäfte in den neuen Gesellschaften eingeschränkt" wird - heißt: Die Bahn soll künftig nur noch eigentliche Eisenbahngeschäfte wahrnehmen, diverse Logistikangebote etwa müssten die ÖBB dadurch einstellen.
Positiv streicht der Vorstand nur hervor, dass HL-AG und die Brenner-Eisenbahn-Gesellschaft (BEG) in die ÖBB-Unternehmensstruktur integriert werden sollen.
Finanzministerium: Bahnreform budgetneutral
Das Finanzministerium hat am Freitagabend bekräftigt, dass die geplante ÖBB-Reform budgetneutral erfolgen werde. Der Bund übernehme 6,1 Mrd. Euro Altschulden und bediene auch die Zinsen. Dass die direkten Zahlungen an die ÖBB aus dem Budget dadurch reduziert würden, sei die logische Folge. Man wolle damit verhindern, dass die Budgetkosten für das Gesamtsystem Bahn anstiegen.
"Die Zinsen für die übernommenen Bahnschulden zahlt der Bund und nicht die ÖBB. Sonst würden sie doppelt bezahlt", sagt Finanzminister Karl-Heinz Grasser.
Kritik für Kukacka "unverständlich"
Als "unverständlich und schwer nachvollziehbar" bezeichnet Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka (V) die Kritik des ÖBB-Vorstandes am Regierungsentwurf zur ÖBB-Reform. Der Vorstand müsse zur Kenntnis nehmen, "dass schließlich auch Entscheidungen getroffen werden müssen", meint der Staatssekretär am Freitag Abend in einer Aussendung. Außerdem verweist Kukacka auf geplante Gespräche nächste Woche. "Es wäre der Sache dienlicher gewesen, hätte der Vorstand diese Gespräche mit der Regierung abgewartet, um allfällige Missverständnis auszuräumen", meint er.
Grundsätzlich, betont der Staatssekretär, habe es aber schon im Vorfeld "zahlreiche Sitzungen mit dem gesamten Vorstand gegeben, in denen die umfassenden Reformpläne der Regierung ausführlich und konstruktiv diskutiert worden" seien. Dabei seien auch die Vorschläge des Vorstandes zur ÖBB-Reform in den Begutachtungsentwurf aufgenommen und berücksichtigt worden.
Der ÖBB-Vorstand bestätigt in seinem Brief an die Aufsichtsräte von Freitag, dass es in den vergangenen Monaten "Facharbeitsgruppen mit dem Ministerium" gegeben habe. Die Beschreibung des Informationsflusses in der Endphase der Verhandlungen, liest sich im Schreiben allerdings weniger freundlich: