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Viel Bedarf, wenig Geld: Der Pflegemarkt hat großes Jobpotenzial, Image und Bezahlung sind jedoch schlecht

Foto: dpa/Buettner
Wien - Zuerst die gute Nachricht: In einem Arbeitsmarkt, der vergangenes Monat den höchsten Stand der Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren verzeichnete, ist die Nachfrage nach Pflegepersonal insbesondere für ältere Arbeitnehmer ein Hoffnungsschimmer. Der Bedarf soll in den nächsten zehn Jahren um 30.000 neue Arbeitsplätze im Bereich der Pflege wachsen, der Großteil davon zu Hause, nur ein kleinerer Teil in Ins^titutionen, sagt Arbeitsminister Martin Bar^tenstein. Ende August waren um 6000 Personen mehr als im Vorjahr im Gesundheits- und Sozialwesen tätig, insgesamt sind es derzeit rund 166.000.

Der Hintergrund ist einfach: Aufgrund der demografischen Entwicklungen - Menschen werden älter, was einen höheren Pflegebedarf nach sich zieht - soll die Zahl der Menschen, die in irgendeiner Form Pflege brauchen, von 550.000 auf 800.000 steigen, sagt das Österreichische Hilfswerk, einer der größten Dienstleister in diesem Sektor.

Umsetzung schwierig

Jetzt die weniger gute Nachricht: Die Chancen, diese Nachfrage auch tatsächlich in Jobs umzusetzen, sind alles andere als gesichert.

Auf seinen Wunsch hin habe das Arbeitsmarktservice seine Anstrengungen bei Umschulungen und Höherqualifizierungen in diesem Bereich verstärkt, 1200 Personen sind es heuer, "eine attraktive Berufschance vor allem für weibliche Arbeitnehmerinnen". Das AMS werde dies im nächsten Jahr auf 2000 erhöhen, was jedoch rein rechnerisch eine Lücke von 1000 Stellen pro Jahr ergibt.

Aber bei der weiteren Entwicklung gibt es eine Reihe von Hindernissen. Entgegen dem Minister, der sagt, dass "das Image gut und die Bezahlung angemessen" sei, konstatiert Othmar Karas, EU-Abgeordneter und Präsident des Hilfswerks: "Das Image ist schlecht, die Bezahlung ist schlecht." Derzeit wird über einen Kollektivvertrag verhandelt, und man brauche bessere Karrieremöglichkeiten durch höhere Qualifizierung, denn die "Behaltedauer" - die Zeit, die jemand im Pflegebereich berufstätig bleibt - sei sehr gering, sagt Karas.

Zersplitterte Ausbildungssituation

Ein Problem dabei ist die zersplitterte Ausbildungssituation: In neun Bundesländern existieren höchst unterschiedliche Ausbildungen; wer in einem Bundesland diesem Beruf nachgehen kann, gilt in einem anderen möglicherweise als unqualifiziert. Derzeit liegt im Sozialministerium der Entwurf eines Staatsvertrags vor, der alle Ausbildungswege zusammenfasst - Karas plädiert hingegen für eine Bundeskompetenz, was auch in Hinblick auf EU-Anforderungen wichtig sei. "Österreich ist zu klein für neun Ausbildungsstandards."

Im Hintertreffen ist Österreich auch bei der Finanzierung der nötigen Pflegedienste. "Die Mittel aus der Krankenversicherungen sind rückläufig, der Ausbau der Länder hinkt zurück", kritisiert Karas. Im EU-Vergleich zeige sich, dass in Österreich nur 0,8 Prozent der Bevölkerung durch mobile Dienste versorgt werden, jedoch gehe man EU-weit davon aus, dass mindestens ein Prozent ständige professionelle Pflege brauche, weitere zwei Prozent regelmäßige Hilfe.

Gewerbeordnung ändern

Um der Nachfrage nach Pflegepersonal besser zu entsprechen, erhebt Karas auch zwei weitere Forderungen: So soll die Gewerbeordnung geändert werden, damit Pflege auch als freies Gewerbe angeboten werden kann. Dies ist derzeit nicht möglich und wurde, wie berichtet, in der letzten Gewerbereform versäumt. Bartenstein will diese Forderung "prüfen" und bekundete dazu seine "prinzipielle Gesprächsbereitschaft".

Und auch das "Verbot der Zeitarbeit" soll aufgehoben werden, verlangt Karas. Gemeint ist damit, dass derzeit Leiharbeitsfirmen kein diplomiertes Pflegepersonal beschäftigen können - obwohl von Krankenanstalten starke Nachfrage nach Personal auf Zeit besteht, um Schwankungen ausgleichen zu können. Diese Nachfrage wird derzeit durch "Schwesternpools" von Non-Profit-Organisation und privat organisierte Netzwerken von Krankenschwestern am Rande der Legalität gedeckt. Im dafür zuständigen Gesundheitsministerium heißt es jedoch bitte warten, da erst eine "umfassende Abklärung der offenen Fragen" erforderlich sei. (spu, Der Standard, Printausgabe, 04.10.2003)