Sie sind die ersten im Hörsaal, bevorzugen die vorderen Rei hen, diskutieren gerne mit dem Vortragenden und sind meist konzentrierter als der Rest: Vergangenes Semester studierten an den heimischen Unis knapp 12.000 Menschen, die die Midlifecrisis schon hinter sich haben.

"Vielen war es in der Jugend nicht möglich zu studieren", erklärt Erna Mortinger die Beweggründe für Seniorenstudenten. Die heute 81-Jährige war 15 Jahre in der Seniorenberatung der ÖH tätig, nach dem sie 1986 selbst den Doktor in Kunstgeschichte gemacht hatte. "Alte Menschen sind nicht nur da, um die Enkel zu betreuen, die Fernbedienung zu betätigen und eine Tasse Kaffee zu trinken." Mortinger bemüht sich darum, ihre Altersgenossen zum Studium zu motivieren.

"Ein Studium in der Pension ist nicht nur ein Nachholen. Es ist eine sinnvolle Beschäftigung, die auch noch das Gehirn trainiert", ist Anna Toman überzeugt. Die seit zwei Jahren pensionierte, gebürtige Polin studiert Slawistik und berät für die ÖH der Uni Wien Kollegen bei Problemen im späten Studium. Unterschiede macht die Uni keine, ein eigenes Seniorenstudium gibt es nicht. Die pen sionierten Studenten stehen vor den gleichen Hürden, die auch die frisch Maturierten überwinden müssen. "Was muss ich machen, wen muss ich fragen? Die Probleme sind dieselben", bestätigt Toman. Sie weiß von etlichen Kolle gen, die vor den Zuständen auf der Uni resigniert haben.

Die Zusammenarbeit funktioniere aber gut, meint Helmut Kramer, Professor für Politikwissenschaft in Wien. "Das ist einer der positivsten Züge in der sonst katastrophalen Universitätsstruktur. Aber natürlich gibt es auch Senioren, die lästig sind und uns Professoren und den Studenten die Welt erklären wollen."

Keine Konkurrenz

Eine Frage ist jedoch schon spezifisch für die Senioren: Inskribiere ich richtig und mache Prüfungen, oder will ich nur zuhören? Bei der Beratung rät man zum vollen Studium, aber letztendlich müsse es jeder selbst entscheiden. Vom Kontakt mit den jungen Kollegen sind die meisten Seniorenstudenten angenehm überrascht. Probleme aufgrund des Altersunterschiedes gebe es keine, im Gegenteil: Alle würden gleich behandelt, und man sei mit den "jungen" sofort per Du. Ändern würde sich diese gegenseitige Akzeptanz nur mit Einführung des Numerus clausus und fixen Studienplätzen, denn "da würde auf einmal eine Konkurrenz entstehen", meint Helmut Kramer.

Denn bei der Leistungsbeurteilung sitzen schon jetzt alle im selben Boot, so Anna Toman: "Ich hätte gehofft, bei Prüfungen milder beurteilt zu werden. Aber das kann man vergessen." (DER STANDARD, Printausgabe, 2.10.2003)