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Foto: apa/schneider
Wien - Vor dem "Kranksparen" im Bereich der Kinderheilkunde warnte am Dienstag der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Müller, bei einer Pressekonferenz in Wien anlässlich der von Donnerstag bis Sonntag in Salzburg stattfindenden Jahrestagung der Gesellschaft. Schwerpunkte bei dem Kongress, zu dem mehr als 500 Teilnehmer erwartet werden, bilden die Themen "Pädiatrie und Ökonomie" sowie Jugendmedizin.

Das Wenige-Kinder-Argument

"Gebetsmühlenartig hört man von fast jedem Politiker, der ins Amt kommt: Es gibt immer mehr ältere Leute und immer weniger Kinder. Daraus wird der Schluss gezogen, für Kinder möglichst wenig zu investieren", klagte Müller, Vorstand der Uni-Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Graz. "Immer, wenn wir etwas Neues machen wollen, kommt das Argument, wir hätten ohnehin so wenige Kinder." An seiner Klinik sind ist die Zahl der ambulanten Patienten von 7.165 im Jahr 1990 auf 13.584 im vergangenen Jahr gestiegen, die der stationären Aufnahmen um mehr als 500 auf 9.212.

"Ständig unter Druck"

"Wir stehen an der Klinik praktisch ununterbrochen unter dem Druck zu reduzieren", sagte Müller. "Immer wieder wird mit Bettenreduktion gedroht." Und das, so befürchtet der Klinikvorstand, so lange, bis die Abteilung die Kinder nicht mehr versorgen kann." Es werde schablonenartig die "Währungseinheit Bett" berechnet, nicht jedoch, wie krank der Patient darin ist. Derartige Berechnungen müssten aber in die Tiefe gehen und berücksichtigem, dass es immer mehr Frühgeburten, neue Krankheitsbilder und saisonale Schwankungen gebe. Für ihn stelle sich die Frage: "Will ich für Kinder noch Geld ausgeben oder nicht?"

Zu wenig Personal

Darüber hinaus beklagte Müller, dass es zu wenige Kinderkrankenschwestern und derzeit keine Ausbildung für Kinderintensivschwestern gebe, auch noch keine staatlich anerkannten pädiatrische Spezialisten - dies im Gegensatz etwa zu Deutschland und der Schweiz. Zu dem am Montag erschienenen und viel diskutierten Buch "Weggelegt - Kinder ohne Medizin?" meinte der Grazer Klinikvorstand, er lehne die Verunsicherung der Bevölkerung durch Zahlen grundsätzlich ab. Er kenne das Buch erst auszugsweise, mit ihm hätten die Autoren - mehrere Kinderärzte - nicht gesprochen.

"Auch im niedergelassenen Bereich wird der Sparstift angesetzt. Die Wiener Gebietskrankenkasse will zwölf Kassenarztstellen ersatzlos streichen", erklärte Dr. Erwin Pokorny, der Fachgruppenobmann der Wiener Ärztekammer.

Mehr Jugendliche erreichen

Die österreichischen Kinderärzte haben sich zum Ziel gesetzt, mehr Jugendliche zu erreichen. "Gerade im Alter zwischen elf und 15 Jahren fallen die Jugendlichen bildlich gesprochen in ein Gesundheitsloch", erläuterte Univ.-Prof Dr. Wolfgang Sperl, der Vorstand der Salzburger Landesklinik für Kinder- und Jugendheilkunde und Tagungspräsident.

Ziel sind Präventionsmaßnahmen mit den Schwerpunkten psychosomatischer Erkrankungen - jeder dritte bis vierte Schüler leidet an Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen oder Erschöpfung, gestörtem Essverhalten, Drogenmissbrauch sowie chronischen Erkrankungen. Die Gesellschaft für Kinderheilkunde regt eine verpflichtende Vorsorge-Untersuchung für alle 14-Jährigen an.

Vorbeugung

In Sachen Vorbeugung und Gesundheitsbewusstsein gibt es einiges zu tun: Laut Untersuchungen nehmen nur noch 38 Prozent der Schulkinder regelmäßig drei Mahlzeiten zu sich, viele greifen statt dessen zu kalorienträchtigen Snacks und Limonaden. Schon bei 20 Prozent der 14-Jährigen werde Adipositas festgestellt.

Rund 30 Prozent der Jugendlichen nehmen regelmäßig Alkohol zu sich. Allein am vergangenen Wochenende seien sechs Jugendliche mit Alkoholvergiftung in die Klinik eingeliefert worden. "Da haben wir in Salzburg wirklich ein Problem, weil vielfach locker ausgeschenkt wird.

Betreuung chronisch Kranker besonders schwierig

Besonders schwierig ist die Betreuung chronisch Kranker im Jugendalter - in der Pubertät seien die Patienten selten kooperationsbereit, berichtete Sperl. Vielmehr mache sich die Einstellung "Mir doch egal" breit. Die Gefahr dabei ist, dass die Betroffenen - etwa Asthmatiker oder Diabetiker - nicht optimal versorgt und die Symptome schlimmer werden. (APA)