In Deutschland wird derzeit über einen Fall diskutiert, der an Skurrilität kaum zu überbieten ist: Nach jahrelangen verdeckten Ermittlungen wurde ein 53-jähriger ehemaliger Stasi-Mitarbeiter festgenommen, der behauptet hatte, zwischen 1976 und 1987 insgesamt 27 Menschen im Auftrag der DDR-Führung erschossen zu haben. Diese Aussagen gibt es auf Tonband. Nach der Verhaftung bestritt Jürgen G. diese Angaben. Er glaubte, mit der CIA zu tun zu haben, und habe sich einfach "nur wichtig machen" wollen.

Den Ermittlern fehlen bisher konkrete Hinweise zu möglichen Taten. Wie es hieß, werden nun "Beweise und Leichen gesucht". Auch die angebliche Tatwaffe ist noch nicht gefunden worden. Die Ermittler fahnden zudem nach weiteren vier Männern, die den ersten Angaben von Jürgen G. zufolge mit ihm im Mordkommando waren.

Mögliche Mittäter

In der Berliner Zeitung wurde darüber spekuliert, dass das mutmaßliche DDR-Mordkommando den früheren DDR-Finanzminister Siegfried Böhm getötet haben könnte. Böhm war im Mai 1980 in seinem Haus erschossen aufgefunden worden. Die Bundesanwaltschaft prüft nun, ob Jürgen G. und seine Komplizen für diese Tat verantwortlich sein könnten.

Bei der Suche nach G.s möglichen vier Mittätern durchforsteten die Fahnder insgesamt 1,5 Millionen Wehrstammkarten der früheren Nationalen Volksarmee. Die Festnahme von Jürgen G. geht darauf zurück, dass der "große Lauschangriff" zum ersten Mal in vollem Umfang realisiert wurde. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2003)