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Alain Juppe

Foto: APA/EPA/ Jean-Pierre Muller
PDer Prozessausgang wegen illegaler Parteifinanzierung ist offen, aber gegen die Fotografen verlor Alain Juppé am Montag schon beim Betreten des Gerichtsgebäudes in Nanterre, westlich von Paris. Der 58-jährige Parteichef der "Union für eine Volksbewegung" (UMP) durfte aufgrund eines kurzfristigen Gerichtsentscheids nicht durch die Hintertür eintreten, sondern musste den Haupteingang nehmen, wo ihn ein Blitzlichtgewitter erwartete.

Der unpopulärste Premierminister Frankreichs (1995-97) hatte seit Jahren alles unternommen, um diesen Moment zu vermeiden. Seine Anwälte hatten aber nur fast Erfolg. Die Staatsanwaltschaft ließ in dem 1998 eröffneten Verfahren mehrere Anklagepunkte wie etwa Hehlerei und Veruntreuung fallen; am vergleichsweise dünnen Tatbestand der "illegalen Nutznießerschaft" hielt sie aber fest.

Juppé soll als Chef der RPR (der gaullistischen Vorgängerpartei der UMP) geduldet haben, dass die Stadt Paris zahlreiche Parteilmitarbeiter entlöhnte. Die Nutznießer dieser "Phantomjobs" standen bis 1995 auf der städtischen Gehaltsliste, ohne je im Pariser Rathaus gearbeitet zu haben.

Nicht alle, aber die meisten Fäden liefen im Pariser Rathaus zusammen, dem damals Jacques Chirac als Bürgermeister vorstand. Von dem heutigen Staatschef existiert ein handschriftlicher Brief, in dem er die Beförderung einer Sekretärin empfiehlt, die von einem Schein-Arbeitsvertrag profitierte. Chirac muss deshalb "gewusst" haben. Dank einer umstrittenen Interpretation der Verfassung durch den "Conseil Constitutionnel" ist er aber bis zum Ende seiner präsidialen Amtszeit vor Rechtsfolgen geschützt. Seine rechte Hand Juppé genießt keine Immunität - genauso wenig wie die 26 anderen Angeklagten, unter ihnen Bauunternehmer, Parteikader, Funktionäre.

Der Imageschaden ist vor allem für Juppé verheerend, abgesehen davon, dass die Anklage der "illegalen Nutznießerschaft" Gefängnis bis zu fünf Jahren, Geldstrafen und politische Unwählbarkeit vorsieht. Der heutige Bürgermeister von Bordeaux, den Chirac einmal als "den Besten von uns" bezeichnete, tritt nach seinem Misserfolg als Premierminister etwas kürzer. Juppé bleibt aber neben Chirac der einflussreichste Politiker Frankreichs und wartet nur den günstigsten Zeitpunkt ab, um als UMP-Chef seine Anwartschaft auf die Nachfolge Chiracs im Elysée anzumelden. Wenn er den Prozess heil übersteht. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.9.2003)